Kusswechsel
dir einen mit Cremefüllung und Schokoladenüberzug. Danach geht es dir gleich besser. Wir wollen doch nicht, dass dich der Stress auffrisst.«
Connie entließ mich durch den Hintereingang nach draußen und schloss hinter mir ab. Wir hatten auch die übrigen Akten eingeräumt und die Doughnuts aufgegessen. Connie wollte zu einer Geschenkeparty bei der Feuerwehr, Lula hatte einen Friseurtermin, und ich wollte den restlichen Tag über Vorsicht üben.
Ich schlich durch die kleine Zufahrtsstraße, setzte die Kapuze des Kapuzenshirts auf und überflog mit einem Blick meine nähere Umgebung. Keine Typen in Baggypants oder mit irgendwelchen umgebundenen Erkennungstüchern, die mich abknallen wollten. Großartig.
Ich fuhr in Burg ein und stellte den Lincoln in der nächsten Querstraße hinterm Haus meiner Eltern ab. Mit gesenktem Kopf ging ich einmal um den Häuserblock, nahm die Abkürzung durch Krezwickis Hof und sprang über den Zaun zum Hinterhof meiner Eltern.
Meine Mutter kreischte auf, als sie mich vor der hinteren Tür stehen sah. »Heilige Muttergottes«, sagte sie. »Ich habe dich im ersten Moment gar nicht erkannt. Wieso hast du die Kapuze aufgesetzt? Du sieht aus wie eine Verrückte.«
»Mir war kalt.«
Sie legte die Hand auf meine Stirn. »Du wirst uns doch wohl nicht krank. Die Grippeviren schwirren nur so in der Luft herum.«
»Mir geht’s gut.« Ich zog das Sweatshirt aus und hing es über die Küchenstuhllehne. »Wo sind denn die anderen alle?«
»Dein Vater macht Besorgungen, und Valerie ist mit den Mädchen einkaufen. Warum fragst du?«
»Nur so.«
»Ich dachte, du hättest uns was Großes zu verkündigen.«
»Was sollte ich denn verkündigen?«
»Na. Das ist ja bald nicht mehr zu übersehen«, sagte meine Mutter.
»Na gut. Wenn es denn sein muss. Ich bin bei Morelli ausgezogen. Aber das bedeutet nicht das Ende der Welt. Wir haben uns diesmal sogar auch gar nicht richtig getrennt. Wir reden noch miteinander.«
»Ausgezogen? Bist du denn nicht schwanger?«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Schwanger? Ich? Ich sah hinunter auf meinen Bauch. Ih! Ich sah tatsächlich schwanger aus. Ich nahm die Pille, aber vielleicht hatte ich mal einen Tag versehentlich übersprungen. Rasch rechnete ich nach und erstickte einen Seufzer der Erleichterung. Ich war nicht schwanger.
»Ich bin nicht schwanger«, sagte ich.
»Das kommt von den Doughnuts«, sagte Grandma. »Einen Doughnuts-Hintern erkenne ich auf den ersten Blick.«
Ich sah mich nach einem Messer um. Ich wollte mich umbringen. »Ich habe gerade viel Stress«, sagte ich.
»Das Fett kannst du dir absaugen lassen«, sagte Grandma.
»Gestern Abend habe ich einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen. Da wurde ein Arzt gezeigt, der einer Frau vor laufender Kamera das Fett abgesaugt hat. Ich hätte mich beinahe übergeben.«
Die Haustür flog krachend auf, und Mary Alice galoppierte durch den Flur, gefolgt von Valerie, die das Baby auf dem Arm hielt, und Angie.
Angie und Mary Alice hockten sich sofort vor den Fernseher. Valerie kam mit dem Baby in die Küche.
»Guck mal, wer da ist«, sagte Grandma zu Valerie. »Stephanie ist heute früher als sonst gekommen, und sie verschwindet auch nicht gleich wieder.«
Valerie setzte den Beutel mit Windeln auf dem Boden ab und sah mich mit großen Augen an. »Ach, du liebes Lottchen«, sagte sie. »Du bist ja schwanger!«
»Das haben wir auch zuerst gedacht«, sagte Grandma. »In Wirklichkeit ist sie nur dick geworden.«
»Das kommt von dem Stress«, sagte ich. »Ich muss mich ausruhen. Ich trinke zu viel Kaffee.«
»Ich habe dir doch gesagt, das kommt von den Doughnuts«, sagte Grandma. »Du schlägst nach einem ganz bestimmten Zweig der Familie Plum. Wenn du nicht aufpasst, siehst du in ein paar Jahren aus wie Tante Stella.«
Stella konnte sich nicht mehr alleine die Schuhe zubinden.
»Deine Hose steht ja offen«, sagte Mary Alice, als sie durch die Küche galoppierte. »Machst du das extra?«
Okay. Ich hatte verstanden. Ich würde nie wieder etwas essen. Nie wieder. Ab jetzt nur noch Wasser für mich. Das heißt – was ist, wenn der Junkman mich findet, und ich werde erschossen? Ich würde an lebenserhaltende Apparate angeschlossen, und da wäre es nicht schlecht, wenn etwas zu viel an mir dran wäre. Vielleicht ist das zusätzliche Fett gar nicht so schlecht. Ein Gottesgeschenk.
»Was gibt es zum Nachtisch?«, fragte ich meine Mutter.
»Schokoladenkuchen und Vanilleeis.«
Wenn Gott gewollt
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