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Kutath die sterbende Sonne

Titel: Kutath die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J.Cherryh
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ihre Kinder mit Dankbarkeit und Ehrungen zurückgeben: das Gesetz von der Weißen Farbe hindert uns daran, einander gegenüberzutreten... aber getrennt ist jede von uns ein Punkt der Kraft auf Kutaths weitem Gesicht. Ich bin die She'pan'anth, die Senior-She'pan der Reisenden... She'pan'anth aller Mri. Und ich habe Bedarf. Berichtet ihnen das. Gibt es Fragen?«
    Schweigen hing in der Luft und zitterte vor Gewalt.
    »Geht!« sagte sie, ein Flüstern wie der Hieb eines Schwertes. »Und kommt zu mir zurück!«
    Es dauerte einen Moment, bevor sich Leiber regten, bevor irgend jemand verwegen genug war, sich zu bewegen – und in diesem dichten Schweigen erhob sich das Kel, und die Kath'anth zog sich als erste zurück, ging im Abschied voran. Kel'ein warteten. Niun bewegte sich, erkannte, daß es an ihm lag, und ging hinaus in den Vorraum des Zeltes, wo der Schrein war, erwies dem Heiligen zitternd seine Huldigung, wünschte sich, die Fäden all dessen aufzugreifen, das ihm zugeworfen worden war, das die Vernunft aufsog und sie alle zu Wahnsinnigen machte.
    Aber andere schwärmten um ihn herum, eine dunkle und furchteinflößende Gegenwart, die Schwärze des Kel, seines eigenen und der Fremden, die sich im Schrein und der Tür drängten, durch die das Sen kommen mußte. Chaos herrschte, und er litt darin an Atemnot, ging zur Tür und zum Tageslicht, um die anderen durch sein Weggehen zu zerstreuen, aber eine Hand packte ihn am Arm, eine Vertrautheit, die ihm gegenüber sonst niemand wagte.
    »Kel'anth«, sagte Hlil.
    Er widerstand, aber Hlil war entschlossen. »Kel'ein?« fragte Niun, ohne sich zu bewegen oder einen von ihnen im besonderen anzublicken. »Kel'anthein?«
    Die Hand verstärkte ihren Griff. »Aye«, sagte Hlil. »Niemals zeigst du uns dein Gesicht, nicht einmal, wenn der Schleier unten ist. Du hast deine Geheimnisse. Aber was die She'pan am Schluß gesagt hat, Kel'anth, darauf haben wir gewartet, und andere auch. Sie hat das Gesicht, nicht wahr?«
    »Das mag sein«, meinte Niun rauh. »Manchmal habe ich mir das auch schon gesagt.«
    »Du bist mit ihr verwandt.«
    »Ich war es.«
    » Sie sind hier, andere Kel'anthein, andere Stämme; du bist unser Kel'anth, und wir kennen deine Art. Du gehst einem wie Sand durch die Finger, Niun s'Intel; du hast kein Gesicht, nicht einmal für uns, wie der Wind keines hat. Wir haben dich beobachtet, wie du mit den Fremden Schweigen bewahrt hast, wenn du hättest sprechen sollen, und wie du über diesen Tsi'mri dort draußen gebrütet hast. Du verstehst die She'pan. Vielleicht verstehen wir sogar dich – aber wie sollten die anderen? Du bist die Hand der She'pan. Und was sie erringt, das wegzuwerfen gibst du dir redlich Mühe.«
    »Das mag sein«, meinte er. Das Atmen fiel ihm schwer. Er sah sie nicht direkter an als zuvor. »Wenn das stimmt, verdiene ich dafür Tadel.«
    »Was gibt es in dir, Kel'anth?«
    »Laß mich gehen, Hlil!«
    »Strecke einmal deine Hand aus und übernimm dieses Kel! Oder was sollen sie sagen, wenn sie zurückgegangen sind? Daß der Kel'anth eine andere Gesellschaft bevorzugt?«
    Da begriff er, worum es ging, und er betrachtete Hlil mit erstarrtem Gesicht. »Ah. Meine Orthodoxie, daß ich Kel Duncan verteidigt habe. Das ist der strittige Punkt.«
    »Antworte!«
    »Man hat mir das Kel-Gesetz gelehrt. In meinem Haus hielten wir uns strikt daran. Ich kann weder lesen noch schreiben und kannte auch nie die Mysterien. Zweitausend Jahre umfaßte alles, was ich wußte. Aber mein Haus fiel. Mein Kel starb. Ich habe mit den eigenen Händen das Pan'en der Reisenden getragen und in meinem Leben sämtliche Dunkelheiten durchquert, die es je gab. Soll ich das auf euch alle verteilen? Ein Kel'en war die ganze Zeit bei mir; ein Kel'en kennt das Gesetz, das ich kannte, und die Lieder, wie mein Kel sie sang, und er hat gesehen, was ich gesehen habe. Ich bin arrogant, ja. Ich habe all die Fehler, die ihr mir zuschreibt. Und du hast dir eine schlechte Zeit ausgesucht, um mit mir zu streiten, Hlil, Kel Zweiter.«
    Er wollte sich abwenden; Hlils Hand umklammerte seinen Arm nur um so fester. »Ich höre dir zu«, sagte Hlil. »Schon seit langem höre ich dir zu. Jetzt tun es auch andere.«
    Hitze kroch Niun ins Gesicht, ein gegen Hlil und gegen die Zeugen dieser Demütigung gerichtetes Gefühl der Ablehnung. Dann dachte er: Vor meinem eig nen Kel würde es mir keine Schande bereiten, es zu sagen . Und weiter: Mein eigenes Kel . Das war dieses.
    Sie waren es.
    »Vergebt mir!«

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