Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kutath die sterbende Sonne

Titel: Kutath die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J.Cherryh
Vom Netzwerk:
rechte zu wählen – gleichzeitig zu gehorchen und nicht zu gehorchen.
    Sand rutschte in seiner Nähe. Ras hatte ihn eingeholt, kam über den Kamm und glitt herab, kauerte sich neben ihm nieder. Einen Moment später kam Desai, Kel'en des dritten Ranges, auf einem Auge blind, aber mit dem anderen scharfsichtig: ein ruhiger und beherrschter Mann, und nach ihm kamen Merin, ein Ehemann, und der junge Taz... ein Narbenloser, der aus ganzem Herzen gebeten hatte, mitkommen zu dürfen. Es waren noch mehr da, an anderen Stellen, verloren in den Wellungen des Landes und im böigen Wind. Hlil nahm sich zu Herzen, was der Kel'anth von Fallen und Schiffen gesagt hatte, und hielt seine Kräfte verstreut.
    Er wartete einen Moment lang, ließ die anderen zu Atem kommen, denn jenseits dieser Stelle gab es nur noch wenige Möglichkeiten, sich zu verbergen. Dann stand er auf und ging die Rinne hinab, hielt sich soweit es ging an niedrige Stellen, während seine Gefährten verstreut hinter ihm her kamen, jeder mit seinem eigenen Tempo, um kein Gruppenziel für die Fernwaffen der Tsi'mri im Orbit abzugeben.
    Aber als sie in die Nähe der Gebäude kamen und den Weg kreuzten, auf dem sie aus der Stadt geflohen waren, und den ersten Toten fanden, wallte Zorn in ihm auf, und er blieb stehen. Schwarze Gewänder: dies war ein Kel'en gewesen. Er starrte auf die teilweise verbrannten Gewänder und die in tagelangem, trocknendem Wind entstandene Mumie, durch Raubzeug verunstaltet: letzteres mußte in An-ehon ein Fest gefeiert haben.
    Die anderen holten ihn ein; er ging weiter, ohne sie anzublicken. Vor ihm erhoben sich die Hüllen der Türme, eine vom Sand verdeckte Geometrie, horizontloser Bernstein, in dem die nahen Bauwerke bis hin zu den Rissen in ihren Mauern klar erkennbar waren und die fernen nur als Schatten emporragten. Und überall die Toten.
    »Das war Ehan«, sagte Desai vom nächsten, den sie erreichten; und »Rias« sagte Merin von einem anderen, denn die Ehrenzeichen, die diese Toten trugen, ermöglichten es noch, sie zu unterscheiden, nachdem Wind und Trockenheit sie ansonsten alle gleichgemacht hatten.
    Von Zeit zu Zeit sprachen sie die Namen derer, die sie auf ihrem Weg zwischen den zerstörten Bauwerken hindurch fanden; und die Toten waren nicht nur Kel'ein, sondern auch goldgewandete Sen'ein, Gelehrte, deren trocknende Schädel so viel von der Weisheit des Volkes enthalten hatten; jung und alt, Männer und Frauen, sie lagen an manchen Stellen einer auf dem anderen – Leute, die sie ihr ganzes Leben lang gekannt hatten; darunter die Körper blaugewandeter Kath'ein, die traurigsten und am meisten schreckerfüllenden Leichen, die Kindererzieherinnen und die Kinder. Wände waren eingestürzt, ein schneller und grausamer Tod; an anderen Stellen schienen die Toten überhaupt keine Wunden zu haben. Das waren die Alten, deren Bronzemähnen vom Alter dunkel gestreift waren; so viele von ihnen, die nicht mehr stark genug gewesen waren, das Laufen durchzuhalten. Und an so mancher Stelle lag der schwarzgewandete Körper eines Kel'ein im vergeblichen Versuch, ein Kind oder einen Alten zu schützen.
    Name auf Name, eine Litanei der Toten: Kath Edis, eine von Hlils Kath-Gefährtinnen, und vier Kinder, von denen zwei seine eigenen sein mochten: dieser Anblick traf ihn hart; und Sen'ein wie die weise alte Rosin; und Kel Dom: er und Hlil waren im selben Jahr ins Kel gekommen. Er wollte den Blick nicht hinwenden und mußte es doch, überzog freundlichere Erinnerungen mit Schrecken.
    Und die anderen, die Kel-Geborenen, die Verwandte zu verlieren gehabt hatten, sie hatten sie verloren: Taz, der die Wahreltern und eine Schwester und all seine Onkel betrauerte; und Ras – Ras kam an keinem Leichnam vorbei, bei dem sie nicht stehenblieb, um ihn zu betrachten.
    »Schneller!« sagte er, denn das Maß seines Kummers war voll. Aber Ras folgte als letzte, suchte weiter in ihrem Ungehorsam, ging ihnen in der Düsterkeit beinahe verloren.
    Er sagte nichts dazu: ihr Verhältnis war gespannt genug. Aber er betrachtete keinen Toten mehr, und auch die anderen wurden weise und taten es nicht, blieben dicht bei ihm. Es bestand die Möglichkeit, dachte er, daß sie Kopf voran in Mitglieder ihrer eigenen Gruppe hineinliefen, wenn sie in dieser Dü- sterkeit nicht aufpaßten – daß sie auf Freunde stießen in der Erwartung von Fernwaffen, in der Erwartung eines Angriffs... ein Wahnsinn: Hlil hatte für diese Art von Herumschleichen wenig übrig.
    Plötzlich lag

Weitere Kostenlose Bücher