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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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zügellos, daß sie innerhalb von zwei Jahren alle unter dem grünen Rasen lagen. Es gab da eine Ausnahme … aber die ist kaum der Rede wert.‹
    ›Erzähl zu Ende, wenn du schon einmal angefangen hast!‹ schrie Klapauzius, offensichtlich aufs äußerste erregt.
    ›Also gut, wenn du unbedingt willst. Ganze zwei waren übriggeblieben. Der erste erschien bei meinem Großvater und bat ihn auf Knien, er möge ihm seinen Buckel zurückgeben. Als Krüppel hatte er nicht schlecht von Almosen gelebt, als Gesunder aber mußte er arbeiten, woran er nicht gewöhnt war. Am meisten störte ihn, daß er jedesmal mit der Stirn gegen den Türbalken stieß, wenn er irgendwo eintreten wollte …‹
    ›Und der zweite?‹ fragte Klapauzius.
    ›Der zweite war ein Prinz, der wegen seines Gebrechens von der Thronfolge ausgeschlossen war; nach seiner plötzlichen Heilung ließ ihn seine Stiefmutter, die die Rechte ihres leiblichen Sohnes bedroht sah, vergiften.‹
    ›Ich verstehe … Aber ihr könnt doch Wunder tun, nicht wahr?‹ sagte Klapauzius, Verzweiflung in der Stimme.
    ›Glück mit Hilfe von Wundern zu schaffen, gehört zu den riskantesten Techniken, die ich kenne‹, gab die Maschine ernst zurück. ›Und wen sollte man durch Wunder ändern? Das Individuum? Zuviel Schönheit sprengt die ehelichen Bande, zuviel Wissen macht einsam, und zuviel Reichtum führt geradewegs in den Wahnsinn. Nein, tausendmal nein! Individuen kann man nicht und Gesellschaften darf man nicht glücklich machen, denn jede Gesellschaft muß ihren eigenen Weg gehen, indem sie auf natürliche Weise Stufe um Stufe der Entwicklung durchläuft und alles Gute und Schlechte, was dabei herauskommt, ausschließlich sich selbst zu verdanken hat. Für uns auf der MAximalen STufe der ENtwicklung gibt es im Kosmos nichts mehr zu tun; und einen anderen Kosmos zu schaffen würde nach meiner Meinung nur von äußerst schlechtem Geschmack zeugen. Weshalb sollten wir das tun? Um uns selbst zu erhöhen? Ein monströser Gedanke! Vielleicht um der zu schaffenden Wesen willen? Aber es gibt sie nicht, weshalb sollten wir also etwas für nichtexistierende Kreaturen tun? Irgendetwas kann man natürlich machen, jedoch nur, solange man nicht in der Lage ist, alles zu machen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, sollte man die Hände in den Schoß legen … und jetzt laßt mich endlich in Ruhe!‹
    ›Aber wie können wir das? Weißt du denn kein Mittel, um das Leben nur ein wenig zu verbessern und dem Nächsten zu helfen? Denk doch an all die Leidenden! Hallo! Bist du noch da?‹ riefen Klapauzius und ich durcheinander.
    Die Maschine gähnte und sagte:
    ›Hat es überhaupt einen Sinn gehabt, mit euch zu sprechen? Wäre es nicht vernünftiger gewesen, von vornherein so zu verfahren, wie man es auf unserem Planeten mit allen Eindringlingen tut? Es ist doch immer ein und dasselbe.
    Aber wie ihr wollt! Hier habt ihr eine Formel, die noch nicht ausprobiert wurde, ich warne jedoch ausdrücklich vor den Folgen! Und jetzt macht damit, was ihr wollt. Ruhe und nochmals Ruhe – das ist das einzige, an dem mir jetzt gelegen ist. Laßt mich endlich allein, damit ich inmitten von Myriaden Theostaten und Deioden meditieren kann …‹
    Die Maschine verstummte, ein Licht nach dem anderen erlosch auf den Schalttafeln, und wir standen da und lasen die Karte, die sie gerade für uns gedruckt hatte. Der Text lautete in etwa so:
     
    ALTRUIZIN. Metapsychotropes Transmitter-Präparat, wirkt auf alle sensitiven Albuminoiden. Gefühle, Emotionen und Empfindungen des Individuums werden durch ALTRUIZIN auf alle Wesen übertragen, die sich im Umkreis von maximal vierhundert Schritt befinden. Funktioniert auf telepathischer Grundlage, überträgt jedoch garantiert keine Gedanken. Wirkt nicht auf Roboter und Pflanzen. Die Empfindungen des Individuums (Sender) werden auf die Symphatici (Empfänger) übertragen. Aufgrund von Sekundärretransmission wird die Intensität der Empfindungen um so größer, je mehr Empfänger am sensitiven Rückkopplungskreis beteiligt sind. Entsprechend der Konzeption seines Erfinders wird ALTRUIZIN in jeder Gesellschaft die unumschränkte Herrschaft der Brüderlichkeit, Solidarität und tiefsten Sympathie sicherstellen, denn die Nachbarn eines glücklichen Einzelwesens müssen dessen Glück teilen, und je glücklicher das Individuum, um so glücklicher sind zwangsläufig auch sie, so daß es in ihrem ureigensten Interesse liegt, ihrem Nächsten aus ganzem Herzen nur das Allerbeste

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