Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
es gibt weitblickende Politikerinnen in NuYu, denen das Problem durchaus bewusst ist. Sie haben erkannt, dass in den Reservaten das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen erhalten geblieben ist und dass sich das Verhältnis zwischen Angst und Fürsorge auf natürliche Weise ergibt und nicht künstlich erzeugt wird. Wir könnten ein Vorbild für die Civitas sein, wenn darüber berichtet wird, wenn wir unser Prinzip lehren dürfen und die Grenzen weiter geöffnet werden. Deine Mutter, Kyria, gehört zu den Befürwortern dieser Politik.«
Mir fiel die Schüssel Vanillepudding aus der Hand. Klirrend zersprang sie auf dem Fliesenboden.
»Entschuldigung«, stammelte ich.
»Nicht schlimm.«
Nora eilte mit Handfeger und Wischtuch herbei und beseitigte den Schaden. Ich war noch immer sprachlos.
Meine Mutter – sie wusste von alldem. Aber sie hatte nie etwas davon erzählt. Sie hatte mich glauben lassen, dass die schöne Fassade ein ebenso schönes Haus verbarg.
»Sie … Sie kennen meine Mutter?«
»Ja, ich habe La Dama Isha einige Male getroffen, und wir haben Verhandlungen miteinander geführt. Sie ist eine harte Gegnerin, steht aber vernünftigen Argumenten aufgeschlossen gegenüber.«
»Ach nee?«
»Du verstehst dich nicht mit ihr?«
»Sie hat mich in Watte gepackt. Ja, vielleicht hat sie mich belogen, um mich zu behüten und vor Gefahren zu schützen. Aber das ändert nichts daran, dass sie mich ständig belogen hat. Werden Sie ihr sagen, dass ich hier bin?«
»Wenn du das nicht möchtest, werde ich selbstverständlich schweigen.«
»Bitte tun Sie das.«
»Vater, weiß sie auch von den Seuchenanschlägen?«
Es war das erste Mal seit geraumer Zeit, dass Reb den Mund aufmachte.
»Keine Ahnung. Es kam bisher nicht zur Sprache. Allerdings werde ich diesen Punkt aufnehmen. Vor allem wenn hier, wie gewarnt wurde, eine Masernepidemie ausbrechen sollte.«
Er hatte Alvar Vater genannt.
Und ich hatte von einer unerwarteten Seite meiner Mutter gehört.
Irgendwie war die schöne Ruhe, die ich am Vortag empfunden hatte, flöten gegangen.
Ich stand auf und entschuldigte mich, weil ich noch einen Strandspaziergang machen wollte.
ABSCHIED UND AUFBRUCH
I ch hatte meine Sachen schon gepackt, und als ich aus dem Turmfenster blickte, sah ich Reb auf einem Pferd über den Strand preschen. Seit den Morgenstunden hielt er sich im Stall auf, ich hatte ihn nur kurz gesehen, wie er im Hof eines der Tiere sattelte.
In zwei, drei Stunden würde Hazels Mutter hier ankommen und mich mitnehmen.
Ein weiterer Schritt irgendwohin.
Es klopfte. Als ich antwortete, trat Alvar in mein Zimmer.
»Hast du einen Augenblick Zeit für mich, Kyria?«
»Natürlich.«
Er setzte sich auf die Bank am Fenster, und ich zog mir einen Stuhl heran.
»Ich habe dich gestern Abend überrascht, nicht wahr?«
»Damit, dass Sie meine Mutter kennen? Ja, das hat mich überrascht.«
»Wirst du mir etwas über sie erzählen? Ich fürchte, es gibt da einige Missverständnisse, die ausgeräumt werden müssen.«
»Zwischen Ihnen und ihr?«
»Nein, zwischen dir und ihr.«
»Vielleicht. Ich bin furchtbar sauer auf sie.«
»Warum?«
»Zum Beispiel wegen Hazel.«
Ich erzählte Alvar von der Todesnachricht.
»Sie hat mein KomLink überwacht.«
»Bist du sicher? War sie die Einzige, die das konnte?«
»Nein, Bonnie konnte das auch, aber … «
»Bonnie, deine Duenna, hat versucht, dich umzubringen, hat Reb mir gesagt.«
»Ja, das hat sie. Ich verstehe noch immer nicht, warum.«
»Müsste deine Mutter das nicht erfahren?«
»Sie würde mir nicht glauben.«
»Bist du sicher?«
»Sie vertraut Bonnie. Mehr als mir.«
»Wer ist Bonnie, Kyria? Aus welcher Familie stammt sie?«
»Oh, eigentlich aus einer sehr angesehenen der Electi. Allerdings hat ihre Mutter einen Mann aus der Civitas geheiratet. Sie ist mit ihm aufs Land gezogen, irgendwo im Osten, wo sie Getreide anbauen. Bonnie wäre dort fast versauert, aber dann hat ihre Tante Tamar sie bei sich aufgenommen und sich um ihre Ausbildung gekümmert.«
»Tamar?«
»Sie ist die Leiterin von PanDemicaProtect, einer großen Pharmafirma.«
Alvar nickte.
»Tamar hat sie auf die besten Schulen geschickt, und nachdem sie ihren Abschluss hatte, begann sie als Sekretärin für ihre Tante zu arbeiten. Sie ist jetzt im Eventmanagement des Unternehmens tätig und organisiert alle großen Präsentationen und so weiter. Das kann sie wirklich gut. Sie hat auch meine Geburtstagsfeiern arrangiert. Und sie hat
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