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Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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In dem Jahrzehnt, als die Seuche ausbrach, Kyria, war, wie die Geschichtsbücher schon ganz richtig schreiben, die Zeit angebrochen, in der es wirklich einen Umbruch in der Gesellschaft gab. Zuvor hatten Hunderte von Jahren die Männer die Herrschaft in den Händen gehalten, Frauen waren Mütter, Haushälterinnen, Handelsware. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber fanden sie ihr Selbstbewusstsein, erkämpften sich das Wahlrecht, das Recht auf Bildung und auf selbstbestimmte Fortpflanzung. Es verwundert daher kaum, dass sie, als sich die Chance bot, die Macht ergriffen. Ich bewundere sie auch dafür, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. In den Aufbaujahren bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts war die Trennung noch nicht so scharf, erst als die ersten Satelliten ihre Arbeit aufnahmen, begannen einige Visionäre warnend den Finger zu heben. Man verbat ihnen, Kritik zu äußern – und das war ein Fehler. Einige Regionen, Kyria, haben schon immer Rebellen hervorgebracht. Und so versammelten sich – unter anderem in den ehemals keltischen Territorien – jene Mahner, Kritiker und Visionäre, die vor den Folgen der überzogenen staatlichen Fürsorge und der daraus resultierenden Überwachung warnten. Es gab lange, nicht eben höfliche Verhandlungen und Ultimaten. Wenn ihr euch nicht der Überwachung unterordnet, könnt ihr auch keine Unterstützung erwarten, hieß es. Durch Volksentscheid stimmte man ab – die Unabhängigen hier waren in der Mehrzahl, und nach drei Jahren Übergangszeit wurden die Grenzen geschlossen.«
    »Das klingt nicht so anders als das, was man bei uns in Geschichte unterrichtet.«
    »So weit, so gut, Kyria. In NuYu setzte man auf die weiblichen Tugenden, was auch zunächst nicht schlecht ist. Hausfrauen und Mütter sind durchaus geeignet, ein großes Staatswesen zu führen. Eine gute Haushälterin – Nora ist so eine – muss ausgezeichnete Managerqualitäten haben. Sie wird das Haus in Ordnung halten, Vorräte schaffen, die Wäsche waschen, für Sauberkeit sorgen, Mahlzeiten richten, Gäste bewirten, den Garten bearbeiten, säen, ernten, einmachen. So im Kleinen wie im Großen. Mütter hingegen gebären die Kinder, nähren sie, pflegen sie, erziehen sie, bilden sie, setzen Grenzen, verteilen Lob und Strafe, trösten und tadeln. Auch das ist eine wichtige Aufgabe eines Staates.«
    »Die UrSa und die ConMat.«
    »Richtig, die beiden Parteien. Die Hausfrauen haben sich in der Urban Social Association zusammengefunden, die Mütter in der Congregatio Matronae.«
    »So, wie Sie es darstellen, müsste es doch gut funktionieren.«
    »Müsste es, wenn nicht zwei Dinge eingetreten wären. Erstens: Macht korrumpiert, und zweitens ist ein Ungleichgewicht eingetreten. Kyria, ein Haus, so gut es auch geführt wird, wird nur erhalten. Es bleibt so, wie es ist, wenn auch renoviert und gepflegt. Keiner reißt es ab und errichtet auf den Fundamenten etwas Neues. Kinder, nach welchen guten Prinzipien auch immer sie auch erzogen werden, dürfen nicht am Rockzipfel der Mutter hängen bleiben. Sie müssen von ihren Müttern losgelassen werden. Wir Männer sind diejenigen, die das Land außerhalb der Mauern erobern, die fortziehen von den Müttern. Das ist unsere Natur. Dummerweise müssen wir uns außerhalb der schützenden Mauern mit anderen messen, wir wollen erobern, vergrößern, abreißen, neu bauen, gewinnen. Ich weiß, es ist einseitig, es gibt viele Frauen, die das auch wollen. Aber Männer wollen es mehr. Es gehört zu unserem Wesen.«
    »Und die wird bei uns mit Medikamenten unterdrückt.« Rebs Stimme klang bitter.
    »So ist es. Darum gibt es hinter der schönen Fassade des Hauses NuYu Bitterkeit, Verdruss, Aufbegehren – und damit eine Schattenwelt. Die Subcultura. Und da Macht korrumpiert, unterdrücken die Herrscherinnen diese Welt, indem sie sie leugnen, ignorieren oder gar auslöschen wollen.«
    »Wie kann man das denn ändern? Könnte man nicht einfach aufhören, den Jungs die Medikamente zu geben, oder so? Und die Überwachung einstellen?«
    »Dazu muss man es erst einmal wollen, Kyria. Und dann muss man bedenken, dass die Civitas seit über hundert Jahren in Abhängigkeit gehalten werden. Einfach einen Schalter umlegen kann man nicht. Angst bedingt Fürsorge, auch diese beiden halten sich im Gleichgewicht. Nimmst du die Fürsorge, gewinnt die Angst. Und ein Mensch oder eine Bevölkerung in Angst wird völlig irrational reagieren.«
    »Es will also niemand etwas ändern?«
    »Doch,

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