Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
mir wirklich viel beigebracht – also, was Auftreten und Mode und diese Dinge betrifft. Ich dachte immer, sie sei meine Freundin.«
»Wenn man jemandem wirklich schaden will, muss man zuvor sein Freund werden, Kyria.«
»Das ist entsetzlich kaltblütig.«
»Ja, das ist es. Bonnie erschien dir nie kaltblütig und berechnend?«
Bonnie, die wie ein wuscheliges kleines Küken aussah. Die mit ihren großen Kinderaugen jeden überreden konnte, ihr zu helfen.
»Nein, nie, Alvar.«
»Aber sie wusste von Beginn an, dass du möglicherweise ernsthaft erkranken könntest.«
»Ja, natürlich, das war kein Geheimnis. Sie hat sich auch immer um mich gekümmert, wenn ich mich schlecht fühlte.«
»Hast du dich oft schlecht gefühlt?«
Ich seufzte. Ich wollte nicht daran erinnert werden. Jetzt, seit ich mich so gesund fühlte.
Wieso fühlte ich mich so gesund?
Ich sah von meinen Händen auf. Alvar betrachtete mich ruhig.
»Ich hatte Schwindelanfälle, und mir war oft übel.«
»Ist das noch immer so?«
»Manchmal. Aber … «
»Wann war dir das letzte Mal schwindelig?«
»Als wir in diesem Wellblechauto nach Brest fuhren.«
»Das, Kyria, ist eine Krankheit dieses Autos, und sie überträgt sich auf fast jeden seiner Insassen.«
Ein Kichern entrutschte mir. Aber dann überlegte ich weiter.
»Im Park, am Tempel, als ich hörte, dass ich sterben müsse … «, sagte ich leise.
»Kind, bei einer solchen Nachricht würde mir sicher auch schlecht werden. Weiter.«
»Mhm … Einmal, als wir aus dem Heilungshaus weggelaufen sind, aber da war ich nur hungrig. Nachdem Reb für mich einen Gemüseburger geborgt hat, ging es mir wieder besser.«
»Geborgt. Was für eine elegante Umschreibung.«
Wieder lächelte ich.
»Diese Schwindelanfälle haben eine ziemlich normale Ursache.«
Ich dachte an die beiden anderen Fälle. Und wurde rot.
»Kyria? Gibt es etwas, das dir peinlich ist?«
»Ähm – na ja. Also … mhm … als ich mich von Cam verabschiedet habe, hat er mich geküsst.«
»Tatsächlich ein bemerkenswerter junger Mann, wenn er schafft, damit Schwindel zu erregen. Das ist eine bedeutende Kunst.«
Ich zwinkerte. Und ganz, ganz leise flüsterte ich: »Reb kann das auch.«
»Das will ich doch wohl hoffen. Er ist schließlich mein Sohn.«
Mir war zwar noch immer heiß, aber ein Glucksen bildete sich in meiner Kehle. Und wieder verschwand ein Stückchen Angst.
»Kurzum, Kyria, seit du das Heilungshaus verlassen hast, haben sich keine ernsten Symptome deiner Krankheit mehr gezeigt. Das sollte uns Grund zum Nachdenken geben, meinst du nicht?«
Ich biss mir auf die Lippe. »Was denken Sie, Alvar?«
»Seit wann hast du diese Anfälle von Schwindel und Übelkeit? Schon von Kindheit an?«
»Nein, erst seit … seit … seit drei, vier Jahren.«
»Was sagt deine Ärztin dazu?«
»Ich habs ihr verschwiegen.«
»Deiner Mutter auch?«
Ich nickte. »Nur Bonnie wusste davon.«
»Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass zwischen ihr und den Anfällen ein Zusammenhang bestehen könnte, Kyria?«
Mir wurde kalt.
Alvar nahm meine Hände in die seinen. Sie fühlten sich hart und schwielig an.
»Aus einem Grund, den wir nicht kennen, scheint deine Duenna den Wunsch gehabt zu haben, dir deine Krankheit ständig vor Augen zu führen. Es gibt viele Mittel, mit denen man die von dir genannten Symptome erzeugen kann.«
»Aber warum? Warum?«
»Ich weiß es nicht, und ich kann von hier aus auch wenig helfen, Kyria. Aber ich glaube, du bist genau zum richtigen Zeitpunkt vor ihr geflohen. Bleib bei Hazel, dort bist du zunächst sicher. Ich werde meine Kontakte nutzen, um mehr herauszufinden. Aber du solltest, wenn du die Möglichkeit hast, Cam benachrichtigen und ihn bitten, Bonnie im Auge zu behalten.«
Wieder nickte ich. Alvar ließ meine Hände los und lehnte sich zurück.
»Ich werde wohl nie wieder zurückgehen«, sagte ich bitter.
»Nie? Nun, man sollte nie eine Tür für immer zuschlagen, Kyria.«
»Hat meine Mutter Bonnie angewiesen, mich krank zu machen? Wollte sie mich noch abhängiger machen, mir noch mehr ihren Willen aufdrücken? Was Sie gestern über den Zusammenhang von Angst und Fürsorge gesagt haben … «
»Glaubst du wirklich, dass eine Frau, die den Fehler in der Politik ihres Staates erkannt hat und zu beheben bestrebt ist, diesen Fehler bei ihrer eigenen Tochter wiederholt?«
»Ja, Alvar, das glaube ich. Sie hat so viele Lügen eingesetzt, um mich zu manipulieren. Und je mehr ich darüber
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