Kyria & Reb - Die Rückkehr
nach Honfleur gebracht. Seither habe ich nichts mehr von ihr gehört.«
Reb fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er hatte eine lange raue Überfahrt hinter sich und fühlte sich erschlagen.
»Sie ist nicht sicher dort«, murmelte er.
»Sicherer als hier. Ich sagte doch, ich habe nichts weiter gehört. Also muss sie sich unbemerkt im Land aufhalten. Wir haben inzwischen auch die beiden Idioten ausgeliefert, die an dem Sender herumgespielt haben. Sie werden das Mädchen entlasten.«
Alvar terHag legte Reb den Arm um die Schultern. Ein wenig zuckte der zusammen, dann ließ er es sich gefallen, von seinem Vater ins Haus geführt zu werden.
»Junge, ich habe einiges vorbereitet. Wenn du willst, kannst du dir in den nächsten Tagen ein Visitor-Id in Avranches abholen. Es liegt eine Erlaubnis für dich vor, die Arenen in Paris, Madrid und Colonia zu besuchen.«
Reb ließ sich in einen Sessel fallen und sah seinen Vater irritiert an.
Der lächelte. »Die hohe Herrin von NuYu hat sich herabgelassen, für den Präfekt des Reservates eine Amnestie auszusprechen. Ich bin nun auch für sie ein freier Bürger des Reservates, und mein von mir anerkannter Sohn ist es ebenso. Also, wenn du willst, kannst du versuchen, Kyria zu finden. Deine alten Freunde werden dir da vermutlich weiterhelfen.«
Er hatte sich entschieden – gegen Kyria. Für seine Karriere. Und jetzt hatte das Schicksal ihm schon wieder eine Falle gestellt.
In der Nacht hatte er von ihr geträumt, hatte ihr Lachen gehört und ihren warmen, weichen Körper an seiner Seite gespürt. Er vermisste sie so sehr.
Sie störte ihn so entsetzlich.
»Wann kann ich aufbrechen?«, hörte er sich selbst fragen.
»Sobald du willst«, sagte sein Vater.
HANDSCHUHPROBLEME
Z wei Wochen später hatte ich mich in meiner neuen Rolle einigermaßen zurechtgefunden. Ich war jetzt Ria, die Bäckereiverkäuferin, hatte meine kostbaren Electi-Gewänder gegen die bunte Mode der Civitas eingetauscht, war in der Lage, mir meine Mahlzeiten aufzuwärmen und belanglose Schwätzchen mit den Kunden zu halten. April, Maies jüngere Schwester, hatte mir in den ersten Tagen viel geholfen, mich in meiner neuen Rolle einzuleben. Ich besaß nun auch wieder ein korrektes Id und ein KomLink, die wichtigsten Dinge, die ein Bürger NuYus benötigte, um sich in der Welt zu bewegen. Die ersten Tage hatte ich mein kleines Apartment kaum verlassen, aus Angst, jemand würde meine Tarnung aufdecken und in mir die Tochter von Ma Dama Isha erkennen, doch dann hatte ich gelernt, mich auf eine Weise zu schminken und zu kleiden, wie es die Mädchen und Frauen in der Civitas pflegten, und April hatte mich in das Warenangebot ihrer Bäckerei eingewiesen.
Terry, ihr Mann, war ein typischer Vertreter seines Geschlechts, sanftmütig, ein wenig füllig um die Mitte, mit einer gepflegten Lockenfrisur und einer Neigung zu pinkfarbener Kleidung. Er war für die Herstellung der Backwaren zuständig, April kümmerte sich um den Einkauf, die Buchhaltung und die Angestellten. Überwiegend verkauften wir Brote, und ich musste lernen, die Kunden auf die gesundheitlichen Folgen des Verzehrs in immer wieder den gleichen Formulierungen aufmerksam zu machen. »Dieses Sauerteigbrot enthält neunzig Prozent Roggen. Der Roggen ist ein Lieferant wichtiger Vitamine und Nährstoffe, die enthaltenen Vitamine schützen die Zellen vor Krebsbefall, die Ballaststoffe regen den Darm an, und der verwendete Sauerteig unterbindet das Auftreten von Völlegefühl nach dem Verzehr.«
Man kaufte viel Roggenbrot. Denn weißes Brot musste ich mit den Warnungen vor leeren Kalorien, Sodbrennen und Verstopfung überreichen. Ich selbst aß sie dennoch gerne, die Brötchen und Baguettes, und meiner Gesundheit schienen sie nicht zu schaden. Neben den Brotwaren, deren Teig vorgefertigt angeliefert und von Terry nur geformt und aufgebacken wurde, mischte er auch seine eigene Masse. Und zwar einen süßen Teig, den er mit Marmelade bestrich und mit Krümeln aus Butter, Zucker und Mehl bestreute. Da ich inzwischen alle gängigen Warnungen kannte, insbesondere die vor Zucker und weißem Mehl, verwunderte es mich nicht mehr besonders, dass diese Streuselkuchen sozusagen unter der Theke verkauft wurden. Verboten war das Süßgebäck zwar nicht, aber die Kunden hatten offenbar Angst, damit gesehen zu werden. Ausnahmen waren lediglich kleine Jungs, die durften nach allgemeiner Auffassung derartige Kuchen zur Belohnung für gutes Benehmen essen. Höchst
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