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Kyria & Reb - Die Rückkehr

Kyria & Reb - Die Rückkehr

Titel: Kyria & Reb - Die Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Schacht
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amüsiert beobachtete ich einen etwa zehnjährigen Bengel, der sich an der Straßenecke vor der Bäckerei herumdrückte und sich als Begleiter einiger Kunden anbot, die dann mit ihm den Laden betraten und angeblich für ihn den Streuselkuchen kauften. Er bekam ein Stückchen ab, aber es waren die Kunden, Männer wie Frauen, die das süße Gebäck selbst aßen.
    Als ich April darauf ansprach, lächelte sie. »Ja, Sunny ist ein cleveres Kerlchen. Lass nur, wir drücken beide Augen zu. Wenn die Leute den Süßkram haben wollen, bekommen sie ihn.«
    »Aber er ist ungesund … «
    »Ja, jeder weiß das. Spätestens seit die staatlichen Vorschriften zur Ernährung veröffentlicht wurden.« Und dann wies sie auf den Lagerraum mit den Vorräten hin. »Manchmal müssen diese Dinge recht schnell verschwinden. Besser, ich erkläre dir, wie wir das machen.«
    In der Fertigung hatte ich mich bisher noch nicht umgeschaut, jetzt erfuhr ich, dass April weit mehr weißes Mehl, Zucker und Butter einkaufte, als ihrer Bäckerei zustand. Es gab Lizenzen für die Lebensmittel, aber offensichtlich auch Quellen, über die man Überschüsse erwerben konnte. Ich fragte vorsichtshalber nicht zu genau nach, aber ich machte mir so meine Gedanken. Der Kuchen war verhältnismäßig teuer, und die Abrechnung am Ende des Tages machte immer April selbst. Vermutlich zog sie die Einnahmen aus dem Verkauf der süßen Backwaren heraus, um damit wieder die nicht lizensierten Lebensmittel zu kaufen. Hin und wieder wurden von den städtischen Gesundheitswächtern Überprüfungen der Lebensmittelgeschäfte durchgeführt, und dann brachten April und Terry die Säcke mit Zucker und Weißmehl schleunigst in den Keller, dessen Eingang hinter einem Regal versteckt war.
    »Weiß Maie davon?«, fragte ich April.
    »Wir haben nie darüber gesprochen. Aber wenn wieder Inspektionen bevorstehen, lässt sie beiläufig eine Andeutung fallen. Bisher sind wir nicht erwischt worden.«
    Und die naschhaften Kunden würden sie nicht verraten, dessen war ich mir auch ziemlich sicher.
    Allerdings hatte die neue Gesundheitskampagne des Instituts für Vorsorge und Verbraucherschutz für eine gewisse Unruhe gesorgt. Ich merkte es daran, dass im Laden leise Diskussionen über die Symptome geführt wurden und einige sich misstrauisch nach den Inhaltsstoffen der Backwaren erkundigten. Es waren nämlich in den Medien schreckliche Bilder von Hautkrankheiten veröffentlicht worden, hervorgerufen durch bestimmte Stoffe, die manche Lebensmittel enthielten. Ich war, seit ich von den künstlich ausgelösten Seuchen erfahren hatte, kritisch geworden, was derartige Meldungen betraf. Die Fürsorge, die unser Staat seinen Bürgern angedeihen ließ, war allumfassend, und sie hatte dafür gesorgt, dass jeder sich darauf verließ, vor allem Übel behütet und beschützt zu werden. Ich selbst war achtzehn Jahre lang – aus anderen Gründen – behütet und beschützt worden. Es hatte dazu geführt, dass ich panische Angst vor dem Leben hatte. Meine Flucht aus der Obhut meiner Mutter und letztlich auch aus NuYu hatte mir die Augen geöffnet für die Gefahren, die in der umfassenden Fürsorge lagen.
    Man wurde manipulierbar.
    Gedankenverloren nahm ich das mit frisch gebackenen Broten befüllte Tablett und trug es aus der Backstube in den Verkaufsraum. Danny, die magere Verkäuferin, war in ein intensives Gespräch mit einem kahlköpfigen Kunden verwickelt und kümmerte sich wieder einmal nicht um den Andrang an der Theke. Ich sah die Gruppe davor fragend an, und eine ältere Frau verlangte ein Roggenkörnerbrot. Ich griff zum Bord – sie schrie entsetzt auf.
    Alle Blicke richteten sich auf mich.
    »Anzeigen müsste man sie!«
    »Rauswerfen!«
    »Den Laden schließen!«
    »Nein, so weit sollte man nicht gehen.«
    »Unsäglich! Unhygienisch!«
    »Verantwortungslos!«
    Ich zuckte zusammen. Dann fiel es mir auf.
    Meine Hände. Sie waren bloß und ungeschützt. Ich hatte vergessen, die weißen Handschuhe anzuziehen.
    »Nach hinten, Ria«, zischte April mich an, und schnellstmöglich trat ich den Rückzug an. Die Handschuhe lagen noch auf dem Tisch neben den heißen Broten. Wie konnte ich so dämlich sein, die strengen Vorschriften zu vergessen, die uns Verkäuferinnen auferlegt waren? Kein Lebensmittel durfte mit ungeschützten Händen angefasst werden. Man befürchtete Verseuchung, Ansteckungen aller Art, Schmutz und Ungeziefer.
    Mochte ja sein, dass die ungewaschenen Hände von kranken Menschen Seuchen

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