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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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dort mit brennenden Füßen und schwitzend auf einer abseits im Schatten eines großen Baumes stehenden Bank nieder. Das Atmen fiel ihm in der schwülen Luft schwer. Er ließ sich das genießbare Wasser des Springbrunnens so lange über die Hände laufen, bis jemand kam, der trinken wollte. Dann überquerte er den Circle, wobei er einen weiten Bogen um einen Haufen Anwälte in langärmeligen Hemden und gelockerten Krawatten machte, die unter den aufmerksamen Blicken ihrer Leibwächter Wein und Käse futterten. Auf der anderen Seite des Parks saß Delmont Briggs fast schlafend neben seinem Becher; das Schild auf dem Schoß. Ein verlotterter Mensch.
    Delmonts Schild – und das kleine Geschäft, das er nebenbei betrieb – brachten ihm eben soviel Geld ein, um damit über die Runden zu kommen. Auf dem Schild, einem zerfledderten Kartonquadrat, stand BITTE HILFE – HUNGRIG. Die Leute schauten durch Delmont hindurch, als wäre er nicht vorhanden, aber hin und wieder bekam er doch etwas. Leroy schüttelte bei dieser Vorstellung widerwillig den Kopf.
    »Delmont, weißt du, wo ich Zeug kaufen kann? Ich brauche ein piece Stoff für zwanzig.«
    »Nicht leicht zu kriegen, Robbie.« Delmont räusperte sich ein paarmal, sie feilschten eine Weile; dann schickte er ihn zu den Schachfeldern, wo Jim Johnson den Verkauf unter dem Deckmantel heiterer Plaudereien über das Tagesgeschehen abwickelte. Danach kaufte sich Leroy in einem Getränkeladen eine Packung Zigaretten und machte sich anschließend auf den Weg zu dem kleinen, verwinkelten Park zwischen der 17ten, der S, und New Hampshire, wo man weder auf Polizisten noch Fremde traf. Man nannte ihn Fish-Park, wegen des unpassenden Zementwales, der neben einem der Abfallbehälter angebracht war. Leroy setzte sich auf die lange, zerbrochene Bank, wo seine ganzen Bekannten saßen, die er sich vom Leibe halten mußte, während er den Tabak vorsichtig aus den Marlboros entfernte, etwas Tabak in das Kraut hineinschnitt, dann das Zigarettenpapier mit der neuen Mixtur füllte und die Enden zudrehte. Jetzt hatte er wieder ein Dutzend Joints. Sie rauchten einen davon gemeinsam, und zwei weitere verkaufte er für einen Dollar das Stück, bevor er den Park verließ.
    Aber er war immer noch nervös; und weil es außerdem die heißeste Stunde des Tages war und sich nur wenige Leute sehen ließen, beschloß er, seinen Pflanzen einen Besuch abzustatten. Ihm war klar, daß es bis zur Ernte noch wenigstens eine Woche dauern würde, aber er wollte sie sehen. Vielleicht müßten sie gegossen werden.
    Im Osten, zwischen der 16ten und der 15ten, kam er ins Niemandsland. Nachdem er das Durcheinander von festungsartigen Apartments und ausgebrannten Kolossen hinter sich gelassen hatte, erreichte er ein paar völlig verlassene Häuserblocks. Hier war die Polizei am Werk gewesen, und dann hatten Plünderer den Rest besorgt. Die Häuser sahen heruntergekommen aus, sie waren ausgebrannt, die unteren Geschosse hatte man zum Teil weggesprengt; ein paar von ihnen fielen jetzt endgültig zu einem Haufen Schutt zusammen. Auf dem brüchigen Bürgersteig war niemand zu sehn; Sirenenlärm ein paar Blocks weiter und schwache Verkehrsgeräusche waren die einzigen Anzeichen dafür, daß die Stadt nicht nur aus Vierteln wie diesem bestand. Winzige zuckende Bewegungen in seinen Augenwinkeln waren nicht mehr als eben das; als er genau hinschaute, war niemand zu sehen. Beim ersten Mal hatte Leroy der Gang durch die zerstörte Straße nervös gemacht; jetzt beruhigten ihn die Stille, die Ruhe, der Niemandslandgeruch nach aufgebrochenem Asphalt und nassem verbrannten Holz, die schwankende Straßenschlucht unter einem Himmel, der wie geronnene Milch aussah.
     
    Das erste Haus war ein Eckhaus aus braunem Sandstein, zur Straßenseite hin geschwärzt, ohne Fenster und Türen, aber sonst noch ganz brauchbar. Er untersuchte es von oben bis unten, ohne eine Pause einzulegen, machte dann kehrt und untersuchte die Umgebung. Alles still. Er stieg die Stufen hinauf und ging ins Haus hinein, wobei er sorgsam darauf achtete, keine Fußspuren in dem Schlamm zu hinterlassen, der sich hinter dem Türrahmen angesammelt hatte. Nach einem kurzen Blick zurück ging er die zerbrochenen Treppen hoch, die zum zweiten Stock führten. Im zweiten Stock herrschte ein Durcheinander von Balken und zerstörten Möbeln. Leroy wartete eine Minute lang, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Die Treppe zum dritten Stock war eingebrochen; das war für

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