L wie Liquidator
Ich muß mir darüber klarwerden, ob er vernünftig ist oder nicht.
Eine breite Klauenhand, die einen Blaster umklammert hielt, wurde sichtbar, und der Lauf der Waffe richtete sich direkt auf Steve. Mir brach der Schweiß aus. Komm endlich rein, du verdammter Mistkerl! Schieß nicht auf Steve! Sieh ihn dir an – und gelange zu dem Schluß, daß er tot ist! Komm rein, du elendes Ungeheuer!
Ich richtete die Mündung des Mark VII auf den Blaster und wollte den unmöglichen Schuß gerade versuchen, als der Alien die Waffe sinken ließ. Und dann stieß der Purpurne das Schott ganz auf und betrat die Kommandobrücke.
Ich habe noch nie einen Menschen getötet. Bin ich dazu überhaupt fähig? ›Du sollst nicht …‹
Ich hätte den Purpurnen auf der Stelle erledigen sollen, aber ich hatte noch nie zuvor einen lebenden gesehen, und so starrte ich ihn groß an. Sie sehen aus wie eine Mischung aus Krokodil, Eidechse und Mensch.
Ist es richtig, den Tod herbeizuwünschen? Und wer entscheidet? Steve oder ich?
Der Purpurne kam langsam auf Steve zu. Durch den Helm gedämpft vernahm ich das leise Fauchen, das der Alien von sich gab. Er war angespannt und nervös. Und er hatte den Blaster nach wie vor aufs Deck gerichtet.
Ich bleibe immer die letzte Instanz – verdammt!
Irgend etwas veranlaßte Steve dazu, laut zu schreien.
Ruckartig kam der Blaster in die Höhe. Ich feuerte. Der Strahl zerschnitt den Purpurnen in Höhe der Taille. Im Todeskrampf schlossen sich die Klauenfinger des Fremden um den Abzug der Waffe. Zwei Sekunden lang kochte rote Energie über den Boden.
Habe ich das moralische Recht, Steve zu töten – selbst auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin?
Ich eilte rasch auf ihn zu. Die Blaster-Entladungen hatten ihn verfehlt, aber trotzdem stimmte etwas nicht mit ihm. Er stöhnte. Ich verabreichte ihm eine weitere Dosis des Schmerzblockers und hoffte, daß ich ihm damit nicht mehr schadete als half.
Denke ich in erster Linie an mich selbst? Hält mich die Vorstellung, Steve zu verlieren, davon ab, ihm seinen Wunsch zu erfüllen? Er hat eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Andererseits: Wenn ich ihn töte, so werde ich einen schrecklich entstellten Krüppel los, der mir fortan eine Last sein könnte. Oder …?
Zuviele … verdammte … Fragen! Allah steh mir bei!
»Du hast ihn erwischt«, hauchte Steve. »Gut. Ich habe … alles gehört. Ein … Purpurner?«
»Ja.«
»Ich … ich schlage dir ein Schnippchen … du sturer … Kerl. Ich … mein Körper … gibt auf.« Steves Gesicht wurde dunkel, fast schwarz. »Eines Tages … könntest du … einen Jungen … nach mir benennen …«
»Klar.« Ich glaube, ich schluchzte, und mir war speiübel. »Hilft dir das schmerzlindernde Mittel?«
Steve keuchte und hustete, und diesmal rann Blut aus seinen Mundwinkeln und bildete kleine rötliche Blasen. »Es geht … mir … gut … ja, ganz … gut!«
Erneut vernahm ich ein dumpfes Pochen, das vom Rumpf stammte. Und wieder eilte ich sofort ans Sichtfenster.
Ein großes und wunderschönes Weißboot schwebte rund zehn Meter entfernt im All. Einige in Raumanzüge gekleidete Gestalten setzten bereits ihre Rückstoßpistolen ein und näherten sich der Luftschleuse.
»Die Rettungsmannschaft ist eingetroffen!« rief ich Steve zu.
Er schnaufte mühsam. »Verflucht!« Seine Stimme war so leise, daß ich ihn kaum verstand. »Du willst mich … im Stich lassen.«
Ich starrte auf ihn hinunter, auf das schreckliche und mitleiderweckende Etwas, das aus ihm geworden war. Aber ich sah nicht seine Entstellungen. Ich sah ihn so, wie er einst gewesen war – als einen blonden und hellhäutigen Mann voller Vitalität und Lebensfreude. Ich erinnerte mich an das Leben, das er geführt, an den Spaß, den er gehabt hatte und der ihm so viel bedeutete.
»Hast du Angst?« fragte ich sanft.
»Vor … dem Tod? Meine Güte … nein! Ich fürchte mich … vor dem Leben … als Carrollit!«
Da endlich verstand ich. Steves Entscheidung war falsch – von meinem Standpunkt aus gesehen. Für ihn jedoch war sie richtig.
Ich zog die Mark VII und richtete den Abstrahlkonus auf die Stirn Steves.
Pflicht und Freundschaft. Pflicht oder Freundschaft. Die Pflicht der Freundschaft.
Allah, vergib mir!
Ich betätigte den Abzug.
Ich weiß nicht mehr, was anschließend geschah. Es war, als weigerten sich meine Sinne, weitere Informationen von der Welt um mich herum aufzunehmen. Nur ein einziger Gedanke ging mir immer wieder durch den Kopf und
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