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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Sauerstoff-Helium-Mischung ausgestattet war und sie im gegenwärtigen Zustand weder Terra noch Luna erreichen konnte, bestand die einzige Chance des Purpurnen darin, sich in einem Schiff zu verstecken, einem, das zwar ebenfalls beschädigt, aber hermetisch dicht war – und anschließend darauf zu hoffen, daß seine Rettungsmannschaft als erste eintraf.
    Was mich betraf, so hätten wir drei ganz ruhig und friedlich abwarten können, denn es befanden sich genügend Vorräte an Bord. Aber ich sah keine Möglichkeit, meinen pazifistischen Intentionen eine reale Grundlage zu geben. Die Kommunikation zwischen unseren beiden Rassen war so kompliziert und schwierig, daß sie allein den Philologen mit ihren Computern und anderen hochmodernen Gerätschaften vorbehalten blieb – und ausgesprochen zeitintensiv war.
    Aber selbst wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, die Situation in aller Gründlichkeit zu erörtern – ich bezweifle, ob wir dazu in der Lage gewesen wären, irgendeine Friedensübereinkunft zu treffen. Dafür war der gegenseitige Haß – aufgrund der vielen Toten, der Verheerung und fatalen Mißverständnisse – viel zu tief in uns verwurzelt. Unsere beiden Rassen waren jung, vital und aggressiv, und die ersten Vorstöße in den interstellaren Raum lagen weder bei uns noch bei den Purpurnen lange zurück. Als sich unsere »Einflußsphären« zu überlappen begannen, wurde eine kriegerische Auseinandersetzung unvermeidlich.
    In diesem Krieg gibt es keine Guten und Bösen – wenn das überhaupt jemals der Fall war. Es geht um nichts weiter als egoistische Interessen. Aber was ist mit mir? Oder mit Steve? Oder dem feindlichen Krieger, der nun an Bord kommt? Was haben wir für Interessen?
    Vielleicht hätten wir uns mit Hilfe der Zeichensprache verständigen können. Aber ich war nicht gewillt, irgendein Risiko einzugehen. Ich trug Verantwortung. Die Verantwortung eines Kommandanten. Für gewöhnlich brachten die Purpurnen Menschen um, wenn sich ihnen eine Gelegenheit dazu bot – sie verhandelten nicht.
    Es blieb mir also nichts anderes übrig, als dem Gegner zuvorzukommen.
    Ich baute eine Barrikade zusammen, hinter der ich mich verbergen konnte, und mit energieschwachen Entladungen aus meinem Mark-VII-Strahler schweißte ich diverse umherschwebende Trümmerstücke zusammen. Ich ließ eine mittelgroße Öffnung für den Lauf und eine kleinere fürs Zielen frei. Dann ging ich in Stellung und wartete.
    Steve will sterben. Ich bin sein Freund. Ich sollte ihm seinen Wunsch erfüllen. Aber er ist mein Freund. Ich kann ihn doch nicht einfach töten! Die Vorstellung, fortan als Carrollit zu existieren, entsetzt ihn zutiefst, aber das gibt ihm wenigstens die Möglichkeit, zu überleben. Bestimmt begreift er das, wenn er den Schock überwunden hat.
    Oder etwa nicht?
    Steve driftete vor mir über dem Boden der Zentrale. Das Zugangsschott befand sich hinter und ein wenig links von ihm. Ich kam mir seltsam dabei vor, meinen besten Freund als eine Art Lockvogel zu verwenden. Versuchte ich damit vielleicht, mein Problem auf elegante Weise zu lösen? Hätte ich einen gesunden und voll einsatzfähigen Steve Whitecloud in die gleiche gefährliche Position befohlen?
    Ich glaube es. Ich hoffte es zumindest.
    Vielleicht hat er recht. Vielleicht ist die Existenz in einem metallenen Körper wirklich ein einziger Alptraum. Aber diese Entscheidung steht nicht mir zu, sondern ihm.
    Die Purpurnen neigen eher zu Tollkühnheit als zu Vorsicht – und das ist auch der Grund, warum wir sie schlagen, wenn beide Streitkräfte etwa gleich groß sind. Das Schott schwang langsam auf, und der hornartige und durchsichtige Raumhelm eines Purpurnen schob sich durch die Öffnung. Einige Sekunden lang beobachteten drei aufmerksame Augenstiele das Chaos in der Zentrale. Ich hoffte darauf, daß die Anwesenheit Steves den Feind in die Kommandobrücke lockte. Vielleicht wollte sich der Purpurne erst vergewissern, daß ihm von der Besatzung dieser Orbitalstation keine Gefahr mehr drohte. In dem matten Licht konnte er jedoch nicht ganz sicher sein, ob alle Menschen ums Leben gekommen waren, und möglicherweise veranlaßte ihn seine Neugier dazu, sich die Leichen genauer anzusehen – und eventuellen Überlebenden den endgültigen Garaus zu machen.
    Wem will ich denn etwas vormachen? Es ist nicht nur die Entscheidung Steves, sondern auch meine. Entweder ich komme seiner Bitte nach und töte ihn, oder ich lasse zu, daß man einen Carrolliten aus ihm macht.

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