L wie Liquidator
eigentlich nichts mehr ausmacht. Ich habe aufgehört zu zittern.
Ich hätte den Details des Experimentes mehr Aufmerksamkeit schenken sollen, aber Details langweiligen mich. Details: Sie, die Biologen, meine Freunde, meine Kollegen, entwickeln die Neurophagen aus Bakterien, die speziell für diesen Zweck gezüchtet sind. Ein Pseudo-Virus, ein einziger Verbindungsstrang, wird in ein Bakterium (oder eine Zelle) eingeführt, wo er das DNS-Programm übernimmt und sich mehr als tausendmal reproduziert. Die neuen Stränge hängen, wenn sie sich organisieren, wie ein Ball aus Würmern zusammen, Tausende von miteinander verbundenen Proteinfäden. Dann fangen sie an zu wachsen. Das Bakterium (oder Neuron) platzt auseinander und stirbt, und die Baby-Computer sind geboren.
Manchmal habe ich den Eindruck, daß mein Verstand von den Einzelheiten so schnell aufgefressen wird, daß für die Neurophagen nichts mehr übrig bleibt. Deshalb konzentriere ich mich auf Einheiten; ich schwelge in Visionen von subatomaren Partikeln und wende meinen sich verändernden Geist der Jagd auf das Superpartikel zu. Es gibt eine endlose Reihe von Partikeln und möglichen Verbindungen, unendlich vielen Verbindungen. Ich habe eine neue Mathematik entwickelt, um diese Verbindungen darzustellen, aber sie ist ungenügend. Höhere Mathematik ist vonnöten, eine Metamathematik, die die Musik des Universums wiedergibt; das Universum selbst ist. In den einfachen Mystizismen nehmen die Paradoxa zu: Was ist mit Schrödinger’s gottverdammter Katze passiert? Die Größe der Quantenmechanik. Ist mein Wille wirklich frei? Ist es möglich, daß mein Bewußtsein, mein wahres Ich, Kette und Schuß, das innerste Gewebe des Universums beeinflußt?
Ist es möglich, daß ich das Universum verändern kann?
Eines Tages werde ich vielleicht ganz verstehen, was passiert, wenn sich ein neues Muster in mir bildet; ein Muster, das ich verändere und forme, ebenso wie es mich formt und verändert.
Wenn ich an einem Tag, an dem der Wind den Nebel über dem Wasser hält, über den Ozean blickte, würde ich sehen, wie sich das Sonnenlicht in den Brechern widerspiegelt, und eventuell die Fontäne eines weit entfernten Meeressäugers. Vielleicht würde ich weiter draußen auf See einen Albatros sehen und an Coleridge denken, der selbst ein Süchtiger war und ein Pulver zu würdigen gewußt hätte, das direkt ins Gehirn steigt und – flash! – Wahrheit und Schönheit unerträglich macht.
Coleridge hätte es verstanden.
Wie kommt es, daß Eiweiß Muster enthält, die die Form des Lebens verändern können? Was ist mit den Aminosäuren, die es ihm ermöglicht, das Gehirn in eine neue und erschreckende Form zu biegen? Warum macht übertriebene Empfindsamkeit die Liebe so unbeständig?
Antworte mir, o Alter Seemann, und ich werde dir den Sinn des Meeres bei Sonnenuntergang erklären. Sage mir, wie man eine dauerhafte Liebe erlangt, und ich werde dir das Geheimnis des Universums anvertrauen.
»Geh nicht fort, Mary!«
»Du brauchst mich nicht mehr.«
»Ich brauche dich nötiger denn je.«
»Du brauchst Wissen und Dateninput und dein verdammtes Quantum Bewußtsein, aber mich brauchst du nicht.«
»Ich liebe dich.«
»Du liebst Quarks und Quiffs und Charms und Gott-weiß-was sonst noch – habe ich Recht?«
»Es gibt ein Licht, das Millionen von Jahren gebraucht hat, nur um die Nervenzellen unserer Retina zu reizen und von dort in unser Gehirn zu gelangen, so daß wir uns in den Strahlen uralter Sterne sonnen können.«
»Schau dich doch an! Du kannst die Arme kaum noch bewegen! Ich muß dich praktisch anschreien, ehe du mich überhaupt verstehst. Bald werden sie dich in einem dieser Räume über den Klippen unterbringen.«
»Überall im Universum gibt es Raum für uns. Alle Kräfte – die elektromagnetischen, die starken und die schwachen Nuklearkräfte, die Gravitation – sind eins. Die Einheiten. Es gibt die Einheit der Kräfte, und es gibt eine Einheit der Raumzeit. Einheit der Einheiten. Möchtest du, daß ich dir die Konsequenzen erkläre? Versuch es dir vorzustellen: von hier bis zum Antares in Null-Zeit!«
»Werden wir wieder nach Hawaii zurückkehren? Wirst du das tun?«
»Der Wille ist frei; wir sind allein und erledigt unter den Sternen der Nacht. Dort sind die Herrlichkeiten der Erde und die Grausamkeiten des menschlichen Herzens.«
»Oh, Richard, manchmal denke ich, wir hätten besser kein Kind adoptieren sollen! Matthew war schon wieder krank; er
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