Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
unterteilt waren.
    Er kannte Mia gut. Ihre Ruhe, Entschlossenheit und Ausdauer, die sie auch in den schwierigsten Situationen bewies. Er stellte sie sich jetzt vor, wie sie am Telephon stand und wartete.
    Auch wenn er jetzt startete, wenn er hoch emporflog, was konnte er ihr sagen? Konnte er sie überzeugen? Und wenn es auch eine Krankheit war, gab es dagegen ein Medikament?
    In der Tiefe seiner Seele war er übrigens nicht bis ins letzte überzeugt, daß er im Recht war. Und wenn ja?
    Auf dem Pult leuchtete ein grünes Lämpchen auf. In drei Kontrollfenstern darunter zeigte sich die Ziffer »0«.
    Rost blickte auf dieses Licht, und Tropfen kalten Schweißes traten auf seine Stirn. Wieder waren ein paar Sekunden vergangen. Er streckte die Hand aus. Er ließ sie auf dem Startknopf ruhen, dann zog er sie schleunigst zurück und berührte mit den Fingern der Reihe nach die Tasten.
    Das grüne Lämpchen erlosch, dann das gelbe. Die Reaktoren hörten zu arbeiten auf.
    Jetzt schob er schnell, ohne zu zögern, den Hebel des Havariesystems in die vorherige Stellung. Wieder durchlief ein Geräusch die Wände des Schiffes: die Türen waren nicht mehr versperrt.
    Das Läuten des Telephons verstummte plötzlich. In der Kabine herrschte Stille.
    Rost saß unbeweglich am Pult und blickte auf die Tür, die ins Innere des Schiffes führte. Er wartete. Worauf? Hatte er noch Illusionen?
    Die Minuten verstrichen langsam.
    Plötzlich glühte auf der Kontrolltafel ein kleines weißes Licht auf und begann rhythmisch zu blinken. Er bemerkte dieses Signal sofort und spürte, wohl zum ersten Mal seit vielen Jahren, wie ihm die Tränen kamen.
    Er konnte sich keinen Illusionen mehr hingeben. Er wußte, daß Mia nicht mehr kommen würde. Der Kran war in Tätigkeit, der die Ausstiegskammer mit der Planetenoberfläche verband.
    Er fuhr sich nervös über die Lider. All das schien ihm ein böser Alptraum zu sein. Wie konnte er daraus erwachen, und sei es um den Preis physischer Schmerzen, die er noch vor kurzem, von der Paralyse gelähmt, hatte ertragen müssen.
    Als er die Augen öffnete, erlosch gerade die Signallampe. Er war in einem leeren interstellaren Raumschiff allein. Aber war das vielleicht auch eine Illusion? Schnell drückte er die Taste, die die Fernsehkameras einschaltete.
    Nein, es war keine Illusion. Vor dem Hintergrund des von der Sonne überfluteten Startkreises bewegte sich eine dunkle menschliche Silhouette. Rost sah zu, wie sie sich immer weiter entfernte und auf dem Bildschirm immer kleiner wurde.
    Auf halbem Wege zwischen Schiff und Wald blieb Mia stehen und drehte sich um. Längere Zeit blickte sie zum Schiff hin und ging dann weiter, um einige Minuten später zwischen den Bäumen zu verschwinden.
    Erst jetzt überkam ihn in vollem Maße die Angst vor der Einsamkeit, die er bisher immer aus dem Bewußtsein verdrängt hatte. War er stark genug, fest genug zu allem entschlossen, um unter dieser Last nicht zusammenzubrechen? Das konnte er nicht kategorisch behaupten. Mit dem Fortgang Mias hatte alles, was er geplant hatte, seinen Sinn verloren. Wozu sollte er zu anderen fremden Welten fliegen? Unlustgefühl und Gleichgültigkeit überkamen ihn.
    Er saß unbeweglich vor dem Bildschirm. Wartete er auf etwas? Gab es noch einen Funken Hoffnung?
    Doch auf der Platte des Kosmodroms, auf der Lichtung erschien niemand mehr. Nur die Schatten der Wolken zogen langsam über den Boden und verhüllten ab und zu die weiße Startfläche.
     
    Rost blickte sich noch einmal um. Über den Sträuchern des Wacholders, der den Waldrand dicht bewuchs, war die Vorderseite des interstellaren Schiffes zu sehen. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ließen schon die Kuppel des Observatoriums erglänzen, die aus der Entfernung einer Glaskugel auf einem Weihnachtsbaum ähnelte.
    Er fühlte weder Trauer noch Unruhe. Im Verlauf dieser langen schlaflosen Nacht vor dem Verlassen des Schiffes, hatte er sich mit dem Gedanken abgefunden, daß er eine Niederlage erlitten hatte. Er wußte, daß er sich von dieser sonderbaren, ihm fremden Welt nicht trennen konnte, genauso, wie er es nicht vermochte, einsam vor ihr zu fliehen. Doch sein Blick kehrte unbewußt immer wieder zu der leeren Rakete zurück, als suche er dort Unterstützung vor dem Überschreiten der Grenzlinie.
    Sie war hier ganz nahe. Die milchigen Dämpfe verdichteten sich zusehends und nahmen die Form einer aus den Nebeln aufgetauchten Wand an. Er wußte, nach dem Eintritt würden der Raum oder

Weitere Kostenlose Bücher