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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Hand die warme Oberfläche berührte. Aber gerade das Bewußtsein dieses Eindrucks erfüllte ihn mit Unruhe. Er dachte wieder an Helia. Wenn er sie in diesem Labyrinth finden könnte.
    Er vernahm ein gedämpftes Flüstern: »Schließ die Augen!« Er war überzeugt, die Stimme Helias zu hören.
    Er blickte sich um. Im Saal war niemand. Irgendwo waren sicherlich Lautsprecher versteckt.
    Erneut vernahm er die Anweisung. »Schließ die Augen!« Nein. Diese Stimme kam aus keiner lokalisierbaren Richtung. Es war, als wäre sie in ihm selbst. Erst jetzt wurde ihm der Inhalt der Worte bewußt, und er schloß die Lider. Er erblickte den verschwommenen Umriß eines Bildes vor sich. Er bedeckte die Augen mit der Hand, und das Bild wurde deutlicher. Anscheinend dämpften die optischen Eindrücke den Prozeß, der auf unbekannte Weise im Sehzentrum des Gehirns hervorgerufen wurde. Als sich die Netzhaut an die Dunkelheit gewöhnte, gewann das Bild rasch an Schärfe und Farbe.
    Er befand sich in irgendeinem Garten. Auf einer Erhebung im Schatten der Bäume ruhten einige menschliche Gestalten. Es waren die Bewohner der Erde, ähnlich jenen, die er vor einer Woche auf dem Bildschirm gesehen hatte. Darunter bemerkte er zwei im Aussehen und in der Kleidung unterschiedliche Gestalten. Ja! Er erkannte sie! Es waren Mia und Helia.
    Wo befand sich dieser Garten? Weit entfernt oder nahe? Das konnte er nicht feststellen. Das Sonderbarste schien ihm in diesem Augenblick zu sein, daß ihn das Bild von allen Seiten umgab und daß jede Bewegung mit dem Kopf oder mit den Augen das Sichtfeld so veränderte, als ob er, Rost, sich in diesem Garten befände.
    Er öffnete die Augen, und der Garten verschwand. Rund um ihn waren nur die weißen Wände des Saales zu sehen. Er schloß also wieder die Lider, und rief damit wieder die Vision zurück.
    »Kann man … dorthin … zu euch?« fragte er unsicher.
    »Wenn du willst«, vernahm er die Stimme Helias. Sie selbst allerdings wandte ihm nicht das Gesicht zu und bestätigte mit keiner Bewegung den Kontakt.
    »Ich will! Wie komme ich jedoch zu euch?«
    »Geh immer in meine Richtung!«
    »Mit geschlossenen Augen?«
    »Nein, das ist überflüssig. Nur manchmal, um die Richtung beizubehalten. Verstehst du?«
    »Ja. Sind das eben SIE?«
    »Wie du siehst.«
    »Sprecht ihr mit ihnen?«
    »Es ist schwer, das so zu nennen … Zu groß ist die Kluft der Zeit. Aber es soll dich nicht erschrecken. Sie werden uns sicher helfen. Sie verstehen uns. Und dich auch. Wenn du nur willst.«
    »Wie sind sie denn?« fragte er mühsam.
    »Was kann ich dir schon sagen. Sie sind klug und schön. Natürlich nicht nach unseren gewohnten Maßstäben. Ich könnte sagen, daß sie gut für uns sind, aber ich weiß nicht, ob eine solche Aussage einen Sinn hat. Sie erinnert allzu sehr an das Verhältnis des Urmenschen zu den aus sich selbst erschaffenen Göttern.«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    »Ich fürchte, daß wir unbewußt Mythen schaffen können. Man muß alle gefühlsmäßigen Bewertungen ablehnen. Sie wollen das auch nicht. Wir müssen sie kennenlernen. Kennenlernen, so wie sie sind. Denn sie sind Menschen! Nur scheinbar anders! In der Tat, genauso wie wir. Geformt von dem jahrtausendealten Prozeß der Evolution.«
    »Bist du dessen sicher? Alles, was wir sehen, gibt uns doch keine Garantie. Alles ist Illusion. Schein. Wenn ich diese Welt so sehen könnte, wie sie wirklich ist! Ohne Verzerrungen und Phantomvisionen!«
    »Verlange nicht zu viel.«
    »Ich verlange es nicht. Sie sollen mir ihre Welt in den gewöhnlichen drei Dimensionen zeigen, und in der Zeit, deren Tempo ich abschätzen kann. Ist das unmöglich?«
    »Ich denke, daß es möglich wäre. In gewissem Grad. Aber ich weiß nicht, ob es einen Sinn hat. Es ist so, als ob du gleichzeitig alles sehen möchtest, was jeder Bewohner deines Hauses macht.«
    »Du weißt doch, daß es nicht darum geht! Ich will nur die objektive Wirklichkeit sehen. Ich will nur sehen, was an diesem Ort, wo ich jetzt bin, wo mein Gehirn sich befindet, vor sich geht. Alles, was mich umgibt, ist doch Illusion. Eine künstlich hervorgerufene Halluzination! Vielleicht hänge ich im Raum, vielleicht existiert dieses Zimmer oder dieses Gebäude gar nicht? Vielleicht träume ich davon? Vielleicht existiert mein Körper gar nicht mehr. Vielleicht ist alles ein Spiel von Signalen in meinem Gehirn, oder vielleicht sogar nur in einer Maschine. Die Aufzeichnungen meiner Persönlichkeit, eingepflanzt in ein

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