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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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sind auch bloß meine Ohren so erschöpft wie der Rest von mir.
    Ach, scheiß doch auf alles! Was soll das Ganze? Mir ist kalt! Ich scheiß auf dich, Stancato! Und auf dich, Dolecek! Und auf dich, Fettwanst! Auf euch alle! Ihr Idioten!
    Vielleicht kommt bald der Morgen. Wir marschieren schon so ewig lange.
    Der Gedanke elektrisiert mich. Ich bleibe stehen und schiebe das Nachtvisier hoch. Aber es kommt kein Licht aus dem Osten. Droben stehen alle Sterne noch klar sichtbar am Himmel. Orion steht hoch, fast im Zenith, seine Hunde hetzen hinter ihm her. Glitzerpunkte in der Schwärze. Ich kann sogar sein Schwert erkennen. Daheim in der Stadt kann ich sein Schwert nie erkennen.
    Die Sterne wirken kalt. Und jetzt, mit dem hochgekippten Nachtvisier, kann ich die Kälte sogar sehen, nicht nur sie spüren. Ich lecke ein paar Eiskristalle ab und fühle mich seltsam friedlich und ruhig.
    Etwas stößt mich in den Rücken. Stancato. »Na, komm schon, Andy!« drängelt er. »Bloß nicht schwach werden! Wir wollen doch nicht zurückbleiben und uns verlaufen.«
    Ich knurre etwas und stolpere weiter. Schwach werden, Scheiße! Ich habe nicht aufgeben wollen. Ich bin bloß mal kurz stehengeblieben, weil ich sehen wollte, ob es schon hell wird. Dieser ekelhafte Saftsack. Traut der mir denn überhaupt nichts zu?
    Wir ziehen weiter, durch das Gehölz und zwischen Hügeln durch, und sie sehen alle ziemlich genauso aus wie die, durch die wir schon gelatscht sind. Dann durch einen Eisbach, und der bringt meine tauben Füße mit einem wilden Schmerz ganz plötzlich zum Aufwachen. Und dann wieder zurück in die Wälder. Wir gehen und gehen. Die Nacht ist still, aber weit drüben in der Ferne zieht eine Aufklärungsstaffel sprühende Feuerfunken über den Himmel. Für uns ist es ein schwarzes Feuer. Wir sehen es uns an, und wir ziehen weiter.
    Endlich, endlich machen wir Rast. Der Wanst hat eine Höhle ausfindig gemacht. Nein, eigentlich ist es gar keine richtige Höhle, bloß so eine kleine Einkerbung in der Felswand. Immerhin, sie bietet Schutz. Der Wanst streift seinen Rucksack ab, grunzt dem Wiesel etwas zu, breitet seine Unterdecke aus und legt sich hin. Fast sofort ist er eingeschlafen und schnarcht. Ich bin völlig ausgelaugt. Lege mich neben ihm nieder. Auch die anderen fallen auf ihre Bodendecken und strecken sich lang.
    Das Wiesel erklärt mir, daß ich die erste Wache habe.
    Also stehe ich wieder auf und halte Wacht. Meine Muskeln protestieren, mein Hirn ist absolut leer. Als die andern eingeschlafen sind, schiebe ich mein Helmvisier hoch und schau mir die Sterne an. Und die Aufklärungsflugzeuge. Über dem westlichen Horizont steht eine Helligkeit, orangerote Flammenzungen und grellweiße Blitze, die sich breit vor dem Bergkamm ausdehnen und wieder erlöschen. Ein Gefecht da drüben, irgendwo. Ich streng mich an, um das Feuer der Geschütze zu hören. Ganz weit entfernt, sehr schwach kann ich sie ausmachen.
    Die andern schlafen jetzt alle fest. Der Wanst sieht aus wie ein Sack voll dreckiger Wäsche, und er schnarcht wie ein Blasebalg. Das Wiesel liegt in sich zusammengerollt in einer Ecke, wie ein kleiner Junge, der sich im Dunkeln fürchtet. Der andere Typ, dieser Mastochse von Kanonenfutter, schläft mit weitaufgerissenem Maul. Bloß Stancato sieht prima aus. Der liegt da, irgendwie lässig, als machte ihm die Kälte überhaupt nichts aus. Er atmet flach und gleichmäßig. Einsatzbereit, wette ich. Wenn die Concoms uns angreifen, den werden sie nicht im Schlaf überraschen.
    Ich spiele mit dem Gedanken herum. Kurz. Was würde sein, wenn ich mich einfach hier verdrücken würde? Vielleicht würden dann die Concoms tatsächlich kommen. Und alle wegputzen. Killpunkte sammeln. Wäre doch ganz einfach.
    Nein. Allein würde ich nicht zur Basis zurückfinden. Und außerdem, was wäre, wenn die Concoms sie nicht erwischen? Dann würde ich ganz schön in der Scheiße sitzen. Und, ehrlich, ich bringe es nicht fertig, Menschen im Stich zu lassen, damit die hier krepieren. Nein, nicht einmal Stancato. Oder doch?
    Also – Stancato, den vielleicht schon.
    Wenn ich zum Tennis gegangen wäre, dann könnte ich jetzt gemütlich zu Hause sitzen, oder ich würde wahrscheinlich neben Miriam in einem schönen warmen Bett liegen. Nicht daß so was mit Miriam besonders aufregend wäre. Ich habe sie ja auch bloß aus Enttäuschung geheiratet, damals, als Glenda mich einfach so wegen Stancato sitzengelassen hat. Die schöne, schlanke große Glenda …

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