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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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mich jemand, zerrt an mir, reißt mich weg und stößt mich zwischen die Bäume. Stancato, wer sonst. Er geht neben mir zu Boden, seine Augen gleiten wachsam umher, das Gewehr hat er im Anschlag, schußbereit. Ich, ich habe meine Waffe fallenlassen. Da draußen liegt sie, dicht neben dem Kadaver. Und ich heule! Also, jedenfalls meine Wangen sind naß.
    Stancato beachtet mich überhaupt nicht. Er hebt die Waffe und feuert, und die schwarze Mündung spuckt in hektischen Stößen den Tod zwischen die Bäume. Waren die Schüsse von dort gekommen? Ich habe keine Ahnung. Hab nicht darauf geachtet. Aber er, Stancato, hat das anscheinend getan. Auch die anderen schießen. Unsere Leute, glaube ich. Bloß ich schieße nicht. Nein, ich nicht. Ich habe meine Waffe fallen lassen.
    Dann ein langes, langes atemloses Schweigen. Stancato wartet, seine Hände umklammern die Waffe fest, die Augen schweifen unablässig hin und her, die anderen warten auch. Keiner bewegt sich. Keiner gibt mehr einen Schuß ab.
     
    Jetzt wird es duster. Der Gedanke kommt mir plötzlich, während ich beobachte, wie die Dämmerung durch das Nadelholz herankriecht, wie sich der Wald in Grau hüllt. Es ist ziemlich viel Zeit vergangen. Aber wir rühren uns nicht von der Stelle. Wir wissen nicht, ob wir den Scharfschützen erwischt haben, oder ob er abgehauen ist, oder ob er da drüben noch lauert und wartet, die Waffe lauert, falls einer von uns sich bewegt. Aber Stancato rührt sich nicht. Ich auch nicht. Ich will keine Zielscheibe abgeben. Außerdem, ich kann ja auch kaum was anderes tun, ich habe meine Waffe verloren.
    Dann endlich – es ist jetzt schon fast ganz dunkel – bewegt sich einer. Ein pfeilschnelles dunkles Huschen von einem Punkt zwischen den Bäumen zu einem anderen Punkt. Und dann noch einmal. Und dann ein plötzlicher Feuerstoß, der die Position des Scharfschützen, droben zwischen den Felsblöcken über uns, bestreicht. Dann taucht endlich ein Kopf aus der Schwärze auf. Das Nachtvisier runtergeklappt, halb in der Hocke, kommt das Wiesel langsam auf die Lichtung. Nichts passiert. Der Concom ist entweder tot, oder er hat sich verzogen.
    Und dann taucht auf einmal auch der Wanst auf, ein schwerfälliger Schatten in der Dunkelheit. Er beugt sich über die Leiche, stupst sie an, schüttelt den Kopf. Tut er ihm wirklich leid? frage ich mich. Oder ist er bloß sauer, daß der Feind bei einem von seinen Kumpels einen Killpunkt gemacht hat? Bestimmt ist es das. Er ist nicht der Typ, der sich viel um andere Sorgen macht.
    Stancato steht auf und stolziert lächelnd und selbstsicher aus der Deckung wieder auf die Lichtung hinaus. Ich folge ihm zögernd. »Glaubt ihr, wir haben ihn erwischt?« fragt Stancato.
    Der Wanst zuckt die Achseln. »Weiß nicht. Müssen nachsehen. Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Möglich, daß der bloß abgehauen ist.«
    Sie gehen nachsehen, Stancato und der Wanst, sie gehen zu der Stelle, von der die Schüsse gekommen sind. Wir anderen warten. Das Wiesel betrachtet mich mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht. Ich winde mich unter seinem Blick, schaue zu dem anderen Mann hinüber und gleich wieder weg, als ich merke, wie der durch mich hindurchstarrt. Alle beide mögen mich nicht. Das ist mir klar. Weil ich vor Schreck einfach stehengeblieben bin. Für die bin ich ein Feigling. Immer muß ich mich bewähren. Stancato muß das nicht, nein, der nicht. Der hat wie immer alles richtig gemacht. Nervös reibe ich mir die Handflächen an der Jacke ab. Und dann steigt mir das Blut in den Kopf, und ich bücke mich und hebe meine Waffe auf. Warum habe ich das bloß nicht schon früher getan? Warum habe ich nicht gekämpft? Verdammt, Andy Birch, warum machst du bloß immer alles falsch?
    Stancato und der Wanst kommen zurück. Stancato klatscht mir seine Hand auf den Rücken. Immer der gesunde fröhliche Kumpel, yessir! Wir sind sogar zu Hosenscheißern noch nett. Der gönnerhafte herablassende Saukerl! Er lächelt mir ins Gesicht. »Sieht so aus, als ob der abgehauen ist«, sagt er. »Wir haben ihn verscheucht.«
    »Hör mal«, beginne ich stammelnd, »ich hab mein Gewehr nicht fallenlassen wol …«
    Stancato unterbricht mich. »Ach, da mach dir mal nicht in die Hosen deswegen! Wichtiger war, daß wir in Deckung gegangen sind.« Er deutet zu unserem Gefallenen hin. »Der da hat seine Waffe behalten. Hat uns nicht viel genützt, oder? Ist doch besser, wir haben dich lebendig bei uns, wir brauchen keine toten Helden,

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