L.A. Woman
geworden. Sie tippte ihre Begrüßung und bekam eine Menge Antworten.
Feyn: Hi, Judith!
Isabella: Hallo Judith.
Roger: ‘lo Judith.
Ms.-sexy-exec: Hallo du!
Judith las schnell ein paar der letzten Diskussionseinträge durch. Feyn schrieb wieder furchtbar geschwollene Sätze über irgendwas Langweiliges, wie immer. Isabella erzählte, wie es war, ein Kind zu haben und Hausfrau zu sein. Die Frau mit dem ziemlich lächerlichen Namen „Ms. Sexy“ versuchte, sowohl Feyn (und Judith bezweifelte, dass Feyn überhaupt ein Mann war) als auch Roger anzumachen. Feyn war viel zu beschäftigt, klug daher zu reden, Roger hingegen flirtete ein wenig.
„Nicht viel los hier heute Abend“, tippte Judith.
Feyn: Nein. Es ist ja auch ein Dienstag.
Roger: Wie geht es dir, Judith?
Judith dachte eine Weile über die Frage nach. Eigentlich ging es ihr ja ganz gut, sie hatte endlich wieder eine Meditationsstunde genommen, endlich eine ganze Reihe von Anzeigen-Entwürfen für Becky Weisels Kunden fertig gestellt, Davids Wagen zur Reparatur gebracht und noch schnell eine Stunde Aerobic dazwischen gequetscht. Ihr Leben lief wie geschmiert, sie musste sich das einfach nur klar machen.
„Nicht so gut“, antwortete sie.
Isabella: Warum nicht?
Feyn: Ich sage doch, Chats im Internet ersetzen Gespräche von Angesicht zu Angesicht, und das macht mich glücklich.
Roger: Bist du okay, Judith?
Ms.-sexy-exec: Roger, was hast du gerade an?
Judith las die Antworten durch. Feyn und Sexy waren viel zu vertieft in ihre eigenen Gedanken, was ja in Ordnung war. „Eine Freundin hat mich heute beim Mittagessen etwas Seltsames gefragt. Sie wollte von mir wissen, ob ich glücklich bin.“
Isabella: Und du glaubst, du bist nicht glücklich?
Feyn: Es gibt furchtbar viele Leute, die mir immerzu sagen, dass ich ein totaler Freak bin, weil ich so viele Online-Freunde habe.
Roger: Und was hast du deiner Freundin geantwortet?
Ms.-sexy-exec: Ich denke darüber nach, einmal ein Blinddate übers Internet zu verabreden. Was haltet ihr davon, Roger, Feyn?
„Das ist es ja“, antwortete Judith. „Ich sagte ihr, dass ich glücklich sei, aber ich musste erst darüber nachdenken.“ Sie drückte auf „Senden“, schrieb dann aber schnell noch eine Frage hinterher. „Seid ihr glücklich?“
Roger: Grundsätzlich würde ich sagen, dass ich glücklich bin. Ich meine, natürlich gibt es immer Ärger, aber es kommt darauf an, wie man ihm begegnet und wie man damit umgeht.
Isabella: Ich hatte früher Phasen der Unzufriedenheit, doch dann habe ich Paxsel gefunden. Das sind wundervolle Pillen, die gleichen dein Gemüt aus. Nimmst du irgendwelche Medikamente?
Feyn: Ich bin sehr glücklich. Ich verstehe bloß nicht, warum so viele Menschen finden, dass ein Freundeskreis sozusagen nur aus echten Menschen bestehen sollte!
Ms.-sexy-exec: Was? Wer ist unglücklich?
Judith seufzte. Was für ein Durcheinander.
„Isabella, nein, ich nehme keine Medikamente. Roger, ich stimme dir zu, es ist eine Frage der Sicht. Feyn, stimmt, ein virtueller Freundeskreis ist genauso gut. Sexy, niemand ist unglücklich.“
Isabella: Wenn du keine Medikamente nimmst, dann rate ich es dir. Paxsel ist wirklich gut, du wirst da nicht so müde wie bei dem Zeug, das in den Achtzigern verschrieben wurde.
Feyn: Ich meine, ihr seid schließlich meine engsten Freunde. Na ja, vielleicht nicht jeder von euch.
Ms.-sexy-exec: Das ist so langweilig. Ich gehe in einen anderen Chatroom. Winkewinke!
Judith ärgerte sich, dass sie das Thema überhaupt angeschnitten hatte, als aus ihrem Computer ein Klingeln erklang und sich auf dem Bildschirm ein neues Fenster öffnete. Die Nachricht kam von Roger.
Roger: Hi! Tut mir Leid, dass das ein bisschen aus dem Ruder läuft. Bist du okay?
„Mir geht’s gut“, schrieb sie zurück. Sie mochte Roger, oder zumindest das, was sie von ihm wusste. Er war ein Arzt aus Atlanta und führte ein aktives gesellschaftliches Leben. Jetzt erinnerte sie sich auch daran, dass er es gewesen war, der ihr einen Filofax an Stelle eines anderen Organizers empfohlen hatte.
Roger: Wirklich? Alles in Ordnung im Job? Wie ich gehört habe, sind Werbeagenturen wahre Sklaventreiber.
Sie rieb sich die Augen. „Nun, es ist schon hart. Das heißt, es läuft ja alles hervorragend, aber eine Freundin hat mir ein paar Probleme bereitet. Ich habe ihr einen Job besorgt, und sie hat einfach gekündigt. Und zwar auf ziemlich spektakuläre Weise. Darüber machen einige Kollegen jetzt
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