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Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich

Titel: Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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anderen noch etwas sagen konnten, mischte sich Fernando in die Unterhaltung ein. »Leute, ihr redet seltsames Zeug. Hört sich an wie aus einem Hollywood-Film und macht mich mächtig neugierig, aber wir sollten von hier verschwinden. Die Cops hocken hinter der Absperrung und fragen sich bestimmt, wo wir geblieben sind. Ihr solltet besser nicht in die Hände dieser Leute fallen.«
    »Sind sie so schlimm?«, fragte Mary leise. Fernando nickte.
    »Okay«, meinte Jeb. »Sie haben gesagt, Sie wohnen nicht weit von hier, wir bringen Sie hin.«
    Der alte Mann streckte Jenna die Hand hin, die ihn auf die Füße zog, aber gleich darauf sackte Fernando wieder zusammen. Er stöhnte leise. »Hat mich doch heftiger erwischt, als ich dachte.«
    »Wir können Sie tragen«, sagte Jeb und Mary sah, wie er und León einen Blick wechselten. Sie hatte mittlerweile selbst erkannt, was an dem Mann komisch war: Er blutete nicht. Sosehr sie die beiden Jungs danach fragen wollte, sie traute es sich nicht vor Fernando.
    »Nein, ich mach das.« León bückte sich, hob den Alten mühelos hoch. Wie ein Kind ruhte er in seinen Armen, Fernandos Kopf ruhte an Leóns Schulter.
    »Gott möge euch für all das segnen«, flüsterte er.
    »Wohin müssen wir, Fernando?«, fragte Jeb.
    »Erst mal rechts die Straße runter. Vier Blocks weiter geht es in eine Nebenstraße, danach ist es nicht mehr weit.«
    »Dann los«, rief León, trat auf die Straße hinaus und wandte sich sofort nach rechts.
    Jeb, Jenna und Mary folgten ihm. Sie alle hatten das Gefühl, beobachtet zu werden, aber niemand schoss auf sie.
    Nachdem sie die Hauptstraße verlassen hatten, gingen sie langsamer. León lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht und er keuchte.
    Er warf Jeb einen vorsichtigen Blick zu und sie trugen ihn nun gemeinsam auf ihren verschränkten Händen, um sich die Last zu teilen. Erst jetzt hatte León Zeit, um den Alten zu mustern, und dabei fiel ihm auf, dass seine Augen geschlossen waren. Für einen Moment durchzuckte ihn der Gedanke, der Mann könnte gestorben sein, aber dann fühlte er, wie sich der Brustkorb des Verletzten hob und senkte. Fernando war eingeschlafen.
    »Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen. Wir müssen ihn wecken.« Jeb verstummte.
    León legte den Kopf in den Nacken und sah zum strahlend blauen Himmel auf. Die Sonne stand fast senkrecht über ihnen. Es musste um die Mittagszeit sein und die Hitze war kaum noch auszuhalten. Sie brauchten unbedingt Wasser. Vor allem Wasser, auch wenn sein Magen knurrte.
    Die Erinnerung an sein früheres Leben hatte León seit ihrer Ankunft in dieser Welt überrollt. Er sah seinen Dad auf der Straße liegen. Das Blut hatte einen dunklen Kranz um seinen Kopf gebildet, wirkte wie ein Heiligenschein, den bereits der Asphalt aufzusaugen schien. Mamás schrille Schreie. Wie sie ihn packte, ihm die Augen verdeckte und ihn wegzog, als er sich auf die Leiche seines Vaters werfen wollte.
    Ich bin sechs Jahre alt gewesen. Zu jung, um zu verstehen, aber alt genug, um zu hassen.
    Der Hass hatte ihn niemals wieder verlassen, war sein Blut und sein Atem geworden. Ein ständiger und düsterer Begleiter auf all seinen Wegen.
    Als er älter wurde, kam die Zeit für ihn. Er hatte sich der ehemaligen Gang seines Vaters angeschlossen. War einer von ihnen geworden.
    Die Aufnahmeprüfung. Dreizehn unendlich lange Sekunden, in denen die Mitglieder der Gang gnadenlos auf ihn eingeprügelt hatten. Tritte in den Leib. Fäuste in seinem Gesicht.
    Dann war es plötzlich vorbei gewesen. Sie hatten ihn auf die Füße gezogen, den Staub von seinem T-Shirt und seiner Jeans geklopft. Ihn nacheinander umarmt und geküsst. In ihren tätowierten Gesichtern hatte aufrichtige Freude gestanden und ein jeder von ihnen hatte ihn angelächelt und »Bruder« genannt. Da hatte er zum ersten Mal seit Langem wieder so etwas wie Frieden in sich gespürt. Er war Teil einer neuen Familie geworden. Von nun an würde er niemals wieder allein sein.
    Doch der innere Frieden war vergangen und hatte dem Morden Platz gemacht. Ich habe einen Jungen erschossen, bloß weil er zu einer anderen Gang gehört hatte.
    León biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Die Wahrheit hatte ihn eingeholt. Eine Weile hatte er sich eingeredet, fast so etwas wie ein normaler Jugendlicher zu sein. Aber das war er nicht. Er war ein Schläger, Krimineller und ein Mörder.
    Was werden die anderen sagen, wenn sie die Wahrheit über mich erfahren? Was wird Mary bloß von mir

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