Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
gruppierten sich um einen niedrigen Rauchglastisch herum. Nicht weit davon entfernt lehnte eine Kommode an der Wand, ein schnurloses Telefon stand darauf. Jenna hob den Hörer ab und lauschte.
»Es funktioniert. Will jemand von euch?«, fragte sie. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme ein wenig zitterte.
Mary schüttelte den Kopf. León hatte schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt und schien es auch jetzt nicht tun zu wollen. Jebs Antwort galt also ebenso für die anderen: »Nein.«
»Und du?«, fragte Mary. »Kennst du etwa jemand, den du anrufen kannst?«
Jenna schloss die Augen. Sie spürte, wie sich ihre Kiefer zusammenpressten. In ihrem Kopf formten sich Gedanken.
»Meine Mutter«, presste sie schließlich hervor. So konzentriert nachzudenken, bereitete ihr Kopfschmerzen. Innerlich war sie völlig verkrampft. Es war, als müsste sie gegen einen inneren Widerstand denken.
»Du erinnerst dich an sie?«
»Ein wenig. Eigentlich mehr an meine Großmutter.«
»Kennst du ihre Telefonnummer?« Jeb schaute sie aufmunternd an.
»Ich bin nicht sicher. Vielleicht fällt sie mir beim Wählen ein.« Jenna dachte intensiv an Hamburg, dann schaute sie auf das Display und mit einem Mal war die Vorwahl kein Problem mehr. Anschließend wählte sie instinktiv die erste Zahl, die ihr in den Sinn kam. Eine Neun.
Augenblicklich fiel ihr die zweite Nummer ein.
Eins.
Dann kam sie ins Stocken. Wie lautete die nächste Zahl. Ihre Kiefer begannen erneut zu mahlen. Sie spürte, wie ihr Schweiß auf die Stirn trat.
Drei.
Sieben. Bitte, wie geht es weiter? Sag mir dir Zahl.
Sieben.
Acht.
Fünf.
Mehr Zahlen fielen ihr einfach nicht ein. Angestrengt lauschte sie in den Hörer. Es klickte weit entfernt. Sonst nichts. Niemand hob ab. Nicht einmal ein Freizeichen war noch zu vernehmen. Resigniert hielt sie den Telefonhörer in den Raum.
»Es …«
Eine Stimme erklang aus dem Hörer. »Zentrale South West«, meldete sich eine Frauenstimme. Jenna presste schnell das Mobilteil wieder an ihr Ohr.
»Hallo«, sagte Jenna.
»Was kann ich für sie tun?«
»Ich würde gern mit meiner Mutter sprechen.«
»Name und Ort, bitte«, verlangte die Stimme.
Der Nachname! Wie heiße ich mit Familiennamen? Jenna … Jenna … Sommer. Mein Name ist Jenna Sommer. Meine Mutter heißt Claudia.
Fast hätte sie es laut gerufen, aber stattdessen sagte sie: »Claudia Sommer. Hamburg.«
»Hamburg in Michigan?«
Jenna zuckte zusammen. »Nein, nein, Hamburg in Deutschland.«
»Möchten Sie das Gespräch als R-Gespräch anmelden?«
Jenna wusste nicht, was das war, aber die weibliche Stimme klang inzwischen so misstrauisch, dass sie einfach »Ja« sagte. Die Frau durfte nicht auflegen. Es ging um so viel. Um alles. Sie war so dicht davor, mit ihrer Mutter zu sprechen. Alles konnte gut werden. Der Kampf ums Überleben konnte hier und heute ein Ende finden.
Eine Weile blieb es still, dann meldete sich die Stimme wieder. »Ich finde keinen Eintrag für eine Claudia Sommer. In Hamburg ist nur ein Teilnehmer auf diesen Nachnamen angemeldet, eine Frau Hertha Sommer.«
»Das ist meine Oma«, rief Jenna, die sich nun wieder an die elegante grauhaarige Dame erinnerte. Gleichzeitig wunderte sie sich, dass es in Hamburg nur einen Teilnehmer mit diesem Namen geben sollte. »Sommer« war nun wirklich nicht ungewöhnlich. Sie ächzte.
»Miss, geht es Ihnen gut?«
»Ja, ja. Können Sie mich bitte mit ihr verbinden?«
»Da dies ein Überseegespräch ist, dauert es eine Weile und ich muss nachfragen, ob Ihre Großmutter bereit ist, die Kosten für das Gespräch zu übernehmen. Wie war Ihr Name?«
»Jenna. Sommer.«
»Bleiben Sie am Apparat.«
Jenna bedeckte die Sprechmuschel mit einer Hand. Überglücklich sah sie die anderen an.
»Was ist? Jetzt sag schon«, verlangte Mary.
»Da ist eine Frau dran, die in einer Zentrale sitzt, sie will mich mit meiner Oma verbinden.« Jenna seufzte. »Die Telefonnummer meiner Mutter hat sie nicht gefunden. Seltsam, aber Hauptsache, ich kann mit jemandem aus meiner Familie sprechen.«
Mary strahlte. Aber als Jenna Jeb ansah, bemerkte sie, wie er nachdenklich die Stirn runzelte.
»Was ist?«, fragte Jenna.
»Dass es so einfach sein soll, macht mich misstrauisch. Nach allem, was wir durchgemacht haben, einfach den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und jemanden anrufen, der einen abholt. Ich denke …«
Er wurde durch die Stimme aus dem Hörer unterbrochen.
»Miss Sommer?«
»Ja?«
»Ihr Gespräch.«
Dann
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