Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
das unsere Welt ist?« León war ungewohnt zaghaft.
»Also ich bin hier sicher nicht zu Hause, ich habe all das hier noch nie gesehen.« Mary machte eine ausladende Handbewegung. »Und was du über die Taten in unserer Vergangenheit gesagt hast, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Niemand von uns sieht wie ein Brandstifter aus. Das ist nicht unsere Welt, aber wir könnten bleiben. Alles ist uns einigermaßen bekannt … na ja, das meiste. Hier gibt es Menschen. Menschen wie Carmelita und ihren Vater. Man wird uns helfen.«
»Aber das ist nicht unser Leben. Willst du nicht heimkehren? In die Welt zurück, in die du geboren wurdest?«, fragte Jenna.
»Sicher will ich das«, wisperte Mary. »Aber dazwischen liegen noch drei Tore und das wiederum bedeutet, drei von uns werden sterben, bis es so weit ist.«
Jeb hob den Kopf und strich sich nachdenklich durch das schwarze Haar. »Ich traue der Sache nicht. Es wäre zu einfach, nicht mehr weiterzumachen und in dieser Welt zu bleiben. Wer auch immer uns in das Labyrinth gesetzt hat, hat so eine Situation bedacht, und ich gehe davon aus, dass sie Vorkehrungen für diesen Fall getroffen haben.«
»Was meinst du?«, fragte Jenna.
»Die Seelentrinker. Ihr mögt sie vergessen haben, ich nicht.« Bei seinen Worten lief Jenna ein Schauer über den Rücken.
»Von denen haben wir seit zwei Welten nichts mehr gesehen oder gehört«, erwiderte Mary.
»Das bedeutet nicht, dass sie nicht mehr da sind. Vielleicht haben sie kurzfristig unsere Spur verloren oder wir haben einfach Glück gehabt, aber denkt mal an die Botschaft, die Jeb gefunden hat, da stand eindeutig drin, was geschieht, wenn wir nicht bereit sind, uns unserer größten Angst zu stellen.« Jenna seufzte. Das hier war noch lange nicht vorbei.
»Haben wir uns nicht schon oft genug unseren Ängsten gestellt? Ich kann nicht mehr! Du glaubst, dass sie wieder auftauchen?«, fragte Mary mit weit aufgerissenen Augen.
»Ich bin mir sicher. Aber es könnte doch sein, dass diejenigen, die uns laut dieser Zeitungsmeldung suchen, uns jagen werden. Hier und jetzt. Komme, was wolle.« Jeb sprach seine Überlegungen nur leise aus, so als wollte er niemanden erschrecken. Aber seine Logik war bestechend, fand Jenna.
»Was ist mit dir?«, wandte sie sich an León. »Was denkst du?«
»Ganz ehrlich, keine Ahnung. Diese Welt verwirrt mich. Alles kommt mir so bekannt vor. Es fühlt sich … richtig an, hier zu sein, auch wenn es kein schönes Gefühl ist. Tief in mir drin ist etwas, ein alte Angst, eine …« Er verstummte, als könnte er diesen Gedanken nicht aussprechen. Als hätte er Angst, sich etwas einzugestehen oder etwas von sich preiszugeben. Jenna konnte ihm ansehen, wie schwer es für León war, sich aus dieser Welt einen Reim zu machen. Sie glaubte, dass alle unnatürlichen Vorkommnisse – Fernandos blutleere Wunde, das Telefonat, Carmelitas Bemerkung zu seinen Tattoos – ihn bisher am meisten erschütterten. Seine Hoffnung, dass er zu Hause angekommen sein könnte, war zerstört.
»Ich glaube, wir müssen weiter«, sagte Jeb.
Mary sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Und wohin?«
»Keine Ahnung. Wir werden uns am Stern orientieren. Er wird uns zu den Portalen führen, so wie bisher auch.«
Jenna blickte in die Runde. »Hat ihn jemand gesehen?«
Keiner hatte darauf geachtet.
»Ich gehe raus, nachsehen«, sagte León. Von draußen erklangen noch immer Schüsse, Autoreifen quietschten auf dem Asphalt.
»León …« Mary wollte etwas sagen, wahrscheinlich ihn daran hindern, jetzt rauszugehen, sie traute sich jedoch nicht. León wirkte entschlossen und sah Mary fest in die Augen. »Warte hier«, sagte er. Dann war er fort.
Draußen begrüßte ihn Gluthitze. Die Temperatur schien noch gestiegen zu sein. León schlüpfte durch die Tür und huschte geduckt die Treppe hinunter. Hinter dem Mauervorsprung, der die steinerne Treppe bildete, ging er in die Knie und schaute die Straße in beide Richtungen entlang. Niemand zu sehen. Wie ausgestorben glühte der Asphalt vor sich hin, wirkte wie ein Spiegel, der die Hitze auf die Umgebung warf. León brach der Schweiß aus allen Poren aus. Sie mussten sich um andere Kleidung kümmern, fiel ihm auf. Sie trugen immer noch die Flanellhemden und hier war es eindeutig zu warum dafür.
Er verengte die Augen zu Schlitzen, die Sonne stand grell leuchtend am fast weißen Himmel, den keine Wolke bedeckte. Noch immer zu hell. Er bedeckte seine Augen mit der Hand, starrte nach
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