Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
wenn sie keine Bedrohung darstellen.« León schüttelte vehement den Kopf, als er das sagte. Er wirkte weniger überrascht von der neuen Situation, die sich hier draußen ergeben hatte, als vielmehr entschlossen, hier herauszukommen.
»Okay«, warf Jenna ein. »Wir versuchen es erst mal durch das Chaos und das wird schlimm genug. Wie es später weitergeht, werden wir sehen.«
»Wollt ihr den direkten Weg nehmen?«, fragte León.
»Ich denke, ja«, sagte Jeb.
Jenna blickte die Straße entlang. Hier und da sah man Schatten, die zwischen den Häusern flitzten. Es war nicht zu erkennen, ob es Menschen waren, die versuchten, ihr Hab und Gut vor den Flammen zu retten, oder Gangmitglieder, die neue Feuer legten.
Sie hielten sich im Schutz der Gebäude, vermieden die offene Straße. Dadurch kamen sie nur langsam voran, aber bald hatten sie sich im Gewirr der flammenden Gassen und engen dunklen Straßen verloren. Auch so schon war es eine heiße Nacht, aber die brennenden Gebäude heizten die Luft zusätzlich auf. Jeb spürte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinunterlief, das frische olivfarbene T-Shirt feucht werden ließ und über das Gesicht rann.
Als er die anderen im Licht der Feuer betrachtete, erkannte er, dass es Mary, Jenna und León ähnlich erging. Der Gestank nach verbranntem Plastik war inzwischen unerträglich und der schwarze Qualm der Feuer brannte in seiner Lunge.
Niemand war mehr auf der Straße zu sehen. Die umherhuschenden Schatten waren verschwunden, aber es lag ein Geräusch in der Luft, so als flüsterten unzählige Menschen gleichzeitig. Je näher sie kamen, desto lauter wurde es und schließlich konnten sie sogar einzelne Stimmen wahrnehmen.
Als die Hauptstraße auf eine große Kreuzung traf, öffnete sich links von den Häusern ein weitläufiger Park vor ihnen. Und hier waren sie. Menschen über Menschen verteilten sich auf den ehemals grünen Grasflächen, die jetzt niedergetrampelt waren. Hohe Bäume säumten die Kieswege des Parks, aber durch die Hitze der umliegenden, in Flammen stehenden Gebäude hatten sie ihre Blätter verloren.
Der Lärm war nun ohrenbetäubend. Menschen hoben an Holzstöcken geklebte Plakate in die Luft und brüllten ihren Zorn gegen die Regierung hinaus.
Die Menschen seien hungrig und durstig, stand auf den Schildern. Auf den Straßen herrsche die Gewalt und die Behörden hätten sie im Stich gelassen – davon erzählten die Plakate und die Rufe der Viertelbewohner, auch wenn Jeb nur wenig von dem chaotischen Geschrei ausmachen konnte. Aber er erkannte, hier schrien Menschen ihren Zorn zum Himmel, die keine Hoffnung mehr hatten. Aber Jeb wusste nicht, ob ihnen jemand zuhörte.
»Was machen wir jetzt?«, fragte León neben ihm. Alle vier standen wie angewurzelt da und starrten auf das Chaos vor ihnen.
»Da kommen wir nicht durch. Die Menge würde uns zertrampeln, wir müssen den Park umgehen.«
»Was meinst du, uns droht Gefahr?«
Jeb zuckte die Schultern. »Im Augenblick nicht. Die Leute sind viel zu viel mit sich selbst beschäftigt, aber du solltest dir das Hemd überziehen und deinen Kopf gesenkt halten, damit dir niemand ins Gesicht sehen kann.«
»Welche Richtung sollen wir nehmen?«, fragte Jenna. »Nach links dem Weg folgen oder rechts die Hauptstraße nehmen?«
»Wir gehen den Weg weiter.« León deutete in Richtung der Hauptstraße, die sich nun ebenfalls mit Menschen füllte. Wie Gespenster tauchten sie aus der Dunkelheit auf und schlossen sich der nächtlichen Demonstration an. Im Lichtschein der Feuer schätzte Jeb die Anzahl der Protestierenden auf Tausende und immer mehr strömten in den Park.
Plötzlich lag ein merkwürdiges Surren in der Luft. Die Menschen um sie herum wurden still. Niemand bewegte sich mehr, alle schwiegen und lauschten. Die feinen Härchen an Jebs Armen richteten sich auf und sein Nacken kribbelte. Das war keine natürliche Ruhe. Es war die Abwesenheit aller Geräusche, bevor ein Sturm losbrach. Plötzlich zersprang die Stille in ein Flappen, das er bis in den Bauch spüren konnte und das rasend schnell näher kam. Die Luft schien sich zu verdichten. Jebs Ohren schmerzten und er presste beide Hände darauf. Jenna neben ihm ebenso.
»Was ist das?«, schrie sie gegen den Krach an.
»Ich glaube, ein Hubschrauber.« Er blickte nach oben, wo nun ein Schatten in der Luft stand und den Himmel zerpflügte. Suchscheinwerfer tanzten über die Köpfe der Menge, sorgten für Unruhe. Die Masse wankte hin und her.
Eine dröhnende
Weitere Kostenlose Bücher