Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
Antwort hören wollte, aber sie musste diese Frage stellen. »Warst du schon mal verliebt, so richtig?«
Er sah aus, als würde er nachdenken, in seiner Erinnerung forschen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Und du?«
»Ja, in dich.« Es war einfach so herausgekommen. Sie wusste nicht, warum sie es gesagt hatte. Nein, doch, sie wusste es: Weil es genau so war.
»Das ist schön«, meinte Jeb. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Lippen. Als er zurückwich, strich sein Atem über ihr Gesicht.
»Jeb, ich bin so froh, dass du bei mir bist, hier in diesen Welten. Manchmal habe ich das Gefühl, ich werde verrückt«, seufzte Jenna. »Und diese neue Welt kostet mich viel Kraft. Gerade weil alles so ähnlich ist wie zu Hause, gerade das macht mich wahnsinnig: dass mir alles so vertraut und doch gleichzeitig fremd ist. Heute ist mir so viel über meine Großmutter eingefallen. Es ist, als müsste ich nur hingehen und an ihrer Tür klingeln und alles würde wieder sein wie immer. Und doch kennt sie mich nicht, sagt, sie habe keine Enkelin. Was … was soll das bedeuten?«
Seine Hand streckte sich nach ihr aus, fuhr die Linien ihres Gesichtes nach. »Vielleicht sollen wir es nicht verstehen, vielleicht soll es keinen Sinn ergeben. Sondern uns nacheinander wahnsinnig machen.«
»Aber wozu? Es ist so sinnlos.«
»Ich weiß, dass du stark bist und dass noch einiges passieren muss, bevor du wahnsinnig wirst. Und so lange musst du weitermachen. Um dein Leben zu kämpfen, ist niemals sinnlos«, widersprach er. »Mögen die Umstände auch noch so verrückt sein.« Jenna seufzte.
Er schaute sie eindringlich an. »Jenna, bitte glaub daran, dass du es schaffst. Glaub daran. Lass jetzt nicht nach, sondern kämpfe noch härter. Ich bin bei dir und ich brauche dich.«
»Und ich brauche dich, weißt du das? Ohne dich, Jeb, hätte ich schon längst aufgegeben.«
»Das darfst du nicht einmal denken«, sagte er bestimmt und es klang fast zornig.
Eine Weile schwiegen sie und Jenna genoss es, Jebs Geruch nach Gras und Erde einzuatmen, der ihr schon im allerersten Moment an ihm aufgefallen war. Könnten sie doch für immer hier liegen …
Da merkte sie, wie sein Blick auf die Innenseite ihres Handgelenks fiel, auf die sternförmige Tätowierung.
»Was ist das?«, fragte er verblüfft. »Du bist tätowiert? Das ist mir bisher nicht aufgefallen. Wow, seit wann hast du sie?«
Jenna versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, weder, dass sie eine leise Ahnung hatte, wann und warum sie sie bekommen hatte. Noch, dass sie wusste, dass sie mit jemandem zu tun hatte, den sie liebte oder geliebt hatte. »Wahrscheinlich war die Tätowierung von meinem Hemd verdeckt. Ist nichts Besonderes.« Sie verschwieg ihm, dass das Tattoo immer wieder auftauchte und verschwand, ohne dass sie es sich erklären konnte. Sie wollte ihn nicht zusätzlich belasten.
Er fuhr mit den Fingern die dunklen Linien nach. »Schlicht, aber schön«, meinte er. »Weißt du, woher du es hast und warum du es hast machen lassen?«
Sie hatte seine Frage befürchtet und sich innerlich für ihre Antwort gewappnet. Entschlossen schüttelte Jenna den Kopf und ihr Haar strich über sein Gesicht. »Nein«, log sie. »Ich habe keine Ahnung, was es damit auf sich hat.«
Sie würde ihm gern sagen, dass diese Tätowierung sie mit jemandem verband, aber sie hatte keine Erklärung dafür, wusste nicht genau, was das Tattoo zu bedeuten hatte, aber sie spürte hinter dem Schleier des Vergessens ein Band, das von dieser Welt in ihr altes Leben reichte.
Um ihn von der Tätowierung abzulenken, beugte sie sich vor und küsste ihn auf die Lippen. Seine Hände fuhren sanft ihren Rücken hoch, dann presste er sie eng an sich. Schließlich gab es keine Welt mehr, über die sie nachgrübeln mussten, nur noch diesen einzigartigen Augenblick.
Mary lag auf der Seite, den Kopf auf Leóns Brust ruhend. Ihre Finger strichen sanft darüber. León war eingeschlafen, mitten im Gespräch. Seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten es ihr.
In seinen Armen war es, als wäre sie heimgekehrt. Heimgekehrt zu einem Menschen, den sie vor wenigen Tagen noch nicht einmal gekannt hatte. Da war sich Mary sicher.
Und nun stellte sie fest, dass sie trotz ihrer Vergangenheit so etwas wie Liebe empfinden konnte. Immer hatte sie gedacht, dass in ihrem Leben für so etwas kein Platz mehr sein dürfte. Es konnte einfach nicht sein. Aber bei León war es anders.
All das Grauen und
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