Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
schlechter zu gehen. Als León nach ihm schaute, musste er feststellen, dass Jeb nur noch taumelte und ohne Jennas Hilfe wahrscheinlich längst zu Boden gefallen wäre.
Sie brauchten ein Versteck. Jetzt! Und dann sah er es.
Das Haus, auf das sie zuhielten, schien verlassen zu sein. Die Fenster waren ohne Glas, der Eingang war notdürftig mit Brettern vernagelt. León warf sich mit voller Wucht dagegen. Das Holz gab sofort nach und Bruchstücke wurden gegen die Wand geschleudert. Er hatte so viel Schwung, dass er nicht mehr abbremsen konnte, über etwas auf dem Boden stolperte und der Länge nach hinschlug. Er rutschte ein Stück über den nackten Steinboden, dann krachte er gegen die gegenüberliegende Wand. Die anderen waren alle bereits im Haus, bis er wieder auf den Beinen stand. Er sah sich rasch um. Vor ihm lag ein leerer Flur im Halbdunkel. Nur wenig Mondlicht fiel von draußen herein, aber es genügte, um sich zu orientieren. Er gab den anderen ein Zeichen und sie betraten eine verlassene Wohnung, deren Tür offen stand.
León schlug die Tür zu und sah sich rasch um. Sein Blick raste zu den offenen Fenstern. Draußen tobten die Menschen an den Fenstern vorbei. Schüsse hallten durch die Straße, Männer und Frauen kreischten und heulten.
»Die Rollläden«, rief er Jenna und Mary zu. Beide reagierten sofort und ließen die Jalousien herunter. Es wurde dunkel im Zimmer, nur noch wenig Licht drang durch die Schlitze. Erneut standen sie in einem abgeriegelten Haus und konnten sich nicht frei bewegen. Unterdessen lief die Zeit ab und sie waren dem Stern noch nicht einmal ansatzweise näher gekommen. León schaute das kleine Häufchen an, zu dem sie geschrumpft waren, und ihnen allen stand die Hoffnungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
Als sie sich wieder ein wenig gesammelt hatten, riskierte León, die Rollläden ein wenig hochzuziehen und aus dem Fenster zu schauen.
Noch immer jagten Gangfahrzeuge durch die Straßen und unermüdliches Gewehrfeuer war zu hören. Immerhin liefen nicht mehr solche Menschenmassen durch die Gegend und auch schien dieser Straßenzug von dem Flammenmeer verschont geblieben zu sein. Dafür lagen nun reglose Körper derjenigen, die erschossen oder niedergetrampelt worden waren, auf dem Boden. León zählte mindestens zwanzig Leichen in ihrer unmittelbaren Umgebung, dann gab er es auf. In seinem Rücken raschelte es. Mary erhob sich vom Boden und kam zu ihm ans Fenster. Er winkte ihr, sich zu ducken und sich langsam zu bewegen.
Mary spähte auf die Straße, dann seufzte sie. »Da können wir nicht raus.«
»Nein.«
»Was machen wir jetzt?«, fragte Jeb aus dem Hintergrund.
León sah ihn an. »Wie geht es dir?«
»Noch etwas schwach, aber du kannst auf mich zählen.«
»Okay«, sagte León. »Wir sollten wieder aus dem Zimmer raus, weiter nach oben gehen.«
»Warum?«, wollte Jenna wissen. »Hier sind wir sicher. Hier können wir warten, bis es etwas ruhiger auf der Straße wird.«
»Nein, können wir nicht«, erwiderte León. »Die Fenster haben keine Scheiben und es ist kein Problem, die Jalousien zu zerschlagen oder hochzuschieben. Hier unten sind wir vor einem Angriff nicht sicher und damit müssen wir rechnen. Die Gang, die das Feuer auf die Menschen eröffnet hat, stammt aus einem anderen Viertel, das genau neben diesem liegt. Im Süden, wenn ich mich richtig erinnere. Ich ahne, was hier los ist. Das Barrio hier wird von der Gang Muerte Negra, dem schwarzen Tod, regiert. Die Angreifer hingegen nennen sich Hijos, Söhne.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Jeb und sah León misstrauisch an.
»Als die Schüsse fielen, war vieles wieder da. Die Gesichter, die Tätowierungen und ihre Bedeutung, wer zu wem gehört und wer auf wen schießt.«
»Was lässt dich so sicher sein?«
León schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Es ist mein Zuhause. Ich bin ein Hijo.«
Stille breitete sich aus, ließ den Raum noch düsterer wirken.
»Aber du hast gesagt, dir komme alles bekannt vor, aber trotzdem sei es dir fremd«, wandte Mary ein.
»Das stimmt auch irgendwie. Mir ist alles hier vertraut und dennoch … etwas stimmt nicht und ich habe noch keine Ahnung, was es ist, aber ich werde es schon noch herausfinden. Später. Jetzt müssen wir uns erst mal in Sicherheit bringen.«
Er nahm Marys Hand, winkte den anderen beiden zu, dann wandte er sich wortlos um und verließ die Wohnung.
»Wir brauchen Licht«, sagte Jenna, als sie vor der Treppe standen.
»Nein, bloß
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