Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
nicht«, erwiderte León. »Wenn wir eine Fackel anzünden, würde uns das nur verraten. Wir steigen im Dunklen hoch.«
Er ging als Erster, die anderen folgten ihm leise. Im dritten Stock, dem letzten vor dem Dach, fanden sie eine weitere offen stehende Wohnung, die ebenso verlassen war wie der Rest des Hauses. Offensichtlich hatten die Bewohner ihr Zuhause in Panik verlassen, denn alle Möbel standen noch darin, auch wenn totales Chaos herrschte. Stühle waren umgeworfen, Schubladen durchsucht und ihr Inhalt auf dem Boden verstreut. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, jedes Bild an den Wänden zu zerschlitzen. In der Küche und in den Kinderzimmern sah es ähnlich aus. Blanke Zerstörungswut hatte hier alles vernichtet, was nicht gestohlen worden war. Aber sie fanden keine Leichen und das war gut. León hatte schon das Schlimmste befürchtet, als sie die Kinderzimmer entdeckt hatten, aber offensichtlich war es den ehemaligen Bewohner gelungen, rechtzeitig zu fliehen.
Als sie alle Zimmer durchsucht hatten und wussten, dass sie allein und für den Moment sicher waren, wagten sie es, zum Fenster hinauszuschauen.
Der Anblick war ähnlich frustrierend wie aus dem Erdgeschoss, nur dass sie nun das ganze Ausmaß der Katastrophe erkennen konnten.
Am Ende des Parks zuckten noch immer helle Flammen zum Himmel. Büsche und Gras waren niedergetrampelt. Überall lagen zerfetzte Plakate herum, ihre Papierschnipsel wirkten wie frisch gefallener Schnee. Der Park wirkte inzwischen wie ausgestorben. Leóns Blick wanderte zum Nachthimmel. Fast höhnisch stand dort der funkelnde Stern, der ihnen den Weg weisen sollte. Einen Weg mitten durch die Hölle.
»Wir warten besser noch ein wenig«, sagte Jeb neben ihm. Er ging zu Jenna hinüber, fasste sie an der Hand. Gemeinsam setzten sie sich in eine Ecke und redeten leise miteinander. Mary stand stumm neben ihm. Ihre Hand lag in seiner und er wünschte, ihre Nähe wäre ein Trost. Aber die Bilder der Vergangenheit waren mächtig.
Die Knarre in meiner Hand. Um mich herum tiefste Nacht, aber keine Stille und es gibt auch keine Dunkelheit. Im fahlen Licht einer Straßenlaterne überprüfen wir unsere Waffen. Wir müssen vorbereitet sein. Nichts darf schiefgehen.
Nesto erklärt den Plan. Wir sollen ein paar feindliche Drogendealer ausschalten. Sie haben ihr Hauptquartier im Erdgeschoss eines leer stehenden Hauses eingerichtet. Das Gebäude steht abseits der Straße, ein Maschendrahtzaun zieht sich um das Anwesen und sie haben Hunde, die frei herumlaufen. Dobermänner, die alles zerfetzen, was sich zu nahe an das Haus wagt.
Aber das kümmert uns nicht. Wir werden mit dem Auto den Zaun durchbrechen, die Scheißköter einfach über den Haufen fahren, den Eingang rammen und auf alles ballern, was sich bewegt.
Diese verdammten Arschlöcher glauben, sie können einfach hierherkommen und uns das Revier streitig machen. Sie verticken ihr kolumbianisches Kokain zum Sonderpreis, um den Markt anzuheizen, aber damit ist jetzt Schluss. Heute noch. In dieser Nacht. Wir werden sie alle umlegen, uns das Koks greifen und den ganzen Laden in die Luft jagen.
Es ist weit mehr als eine Strafe. Es ist eine Warnung an alle anderen, die glauben, wir wären zu schwach, um unser Gebiet zu verteidigen.
Wir sind zu viert. Nesto, Pedro, Loco der Verrückte und ich. Zwei von uns haben Maschinenpistolen, ich und Loco Pistolen. Niemand würde dem Verrückten eine automatische Waffe in die Hand drücken, die Gefahr wäre zu groß, dass er einen von uns oder sich selbst erschießt, wenn das Gefecht losgeht. Loco ist ein Wahnsinniger, der bei Anspannung durchdreht und keine Grenzen mehr kennt. Der nur noch brüllt und ballert, aber es ist ein gutes Gefühl, ihn dabeizuhaben, denn seine Furchtlosigkeit wird uns vorantreiben.
Die anderen sind für mich hermanos, Brüder, die ich niemals hatte. Sie sind meine Familie, haben mich beschützt, nachdem mein Vater durch eine Kugel von der Straße gefegt wurde. Ich liebe sie alle.
Trotzdem wäre ich heute lieber nicht dabei. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist zu einfach.
Keine Wachen? Nur Hunde?
Wahrscheinlich bunkern die da drin Koks im Wert von Millionen und es soll so einfach sein, es ihnen abzunehmen?
Pedro war dort, hat die Lage ausgekundschaftet, mehrere Nächte hintereinander. Er sagt, die Typen fühlen sich sicher, weil das Haus nicht in unserem Gebiet liegt, so recht daran glauben kann ich nicht, aber ich sage nichts,
Weitere Kostenlose Bücher