Labyrinth 02 - Das Labyrinth jagt dich
geflüsterte Unterhaltung erstarb.
»Was?«, fragte Loco verblüfft.
»Du hast mich gehört. Runter mit den Füßen!«
»Spinnst du? Du hast mir gar nichts zu sagen!«
León sprang auf und wischte Locos Turnschuhe vom Tisch. Alles in einer einzigen Bewegung. Loco wurde beinahe vom Stuhl zu Boden geschleudert, konnte sich aber gerade noch abfangen.
Sein Gesicht zeigte Überraschung und genau das sorgte dafür, dass sich León wieder beruhigte. Der plötzlich aufgekommene Zorn war verflogen. »Wenn ich etwas sage, tust du es«, sagte er ruhig. Dann erhob er sich und verließ den Raum.
Jeb starrte in die Runde. Alle schwiegen. Selbst der Hijo sagte kein Wort. Leóns Ausbruch hatte sie alle überrascht und Jeb fragte sich im Stillen, ob León dabei war, die Nerven zu verlieren. Aber warum? León hatte noch nie Schwäche gezeigt, trotzdem war seine heftige Reaktion ungewöhnlich.
Loco stand vom Tisch auf. »Ich haue mich aufs Ohr. Habe seit zwei Tagen nicht geschlafen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verzog er sich in eine Ecke der Cafeteria, schnappte sich einen Rucksack und schob ihn unter den Kopf. Kurz darauf verkündeten seine regelmäßigen Atemzüge, dass er eingeschlafen war.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Jenna leise.
Jeb sah sie an. »Wir warten, bis es dunkel wird, und versuchen uns dann durch die Straßen zu schlagen.«
Mary erhob sich. »Ich gehe mal nach León schauen. Er sollte dabei sein, wenn wir Pläne schmieden.« Kurz darauf war sie verschwunden.
»Was sagst du zu León?«, fragte Jeb.
Jenna zuckte die Schultern. »Er hat ein Recht, auch mal auszuflippen. Niemandem ist etwas geschehen.«
»Schon, aber er macht mir Angst.«
Jenna lachte leise auf. »Tut er das nicht schon immer? So ist er eben. Wild und ein wenig unberechenbar.«
»Was wird sein, wenn wir die Tore erreichen?«, hakte Jeb nach. »Wir wissen beide, dass er freie Portale für sich und Mary beanspruchen wird.« Jeb schaute sie an. »Und er wird bereit sein, darum zu kämpfen.«
»Denk jetzt nicht darüber nach. Die Tore sind noch weit weg, außerhalb unserer Reichweite. Es kann noch viel geschehen.«
»Wir müssen vorbereitet sein.«
Ihre Hand streckte sich nach ihm aus und ihre Finger zerstrubbelten sein Haar. »Ach Jeb, wir können uns nicht vorbereiten. Das konnten wir noch nie, seit wir im Labyrinth sind. Immer ist alles neu und überraschend, wir wissen nie, was uns der nächste Moment bringt. Wir können nur hoffen und kämpfen.«
Jeb senkte seinen Kopf, damit Jenna ihm nicht in die Augen blicken konnte. Er würde vorbereitet sein, wenn es mit León zum Kampf um die Tore kommen würde.
J enna erhob sich. »Ich schaue mich mal um. Hier gibt es bestimmt noch einiges, was wir gebrauchen können.«
»Ich komme mit«, sagte Jeb sofort, aber Jenna schüttelte den Kopf.
»Du musst ihn im Auge behalten«, sagte sie und nickte in Locos Richtung, der noch immer leise schnarchend schlief.
»Warte, bis León oder Mary zurück sind«, schlug Jeb vor.
»Nein, Leóns Reaktion vorhin hat mich nervös gemacht. Ich kann jetzt nicht hier herumsitzen. Ich muss etwas tun.«
»Okay, dann tob dich aus.« Jeb grinste schwach. »Vielleicht findest du eine Taschenlampe, das wäre praktisch.«
»Ich halte die Augen offen.«
Jenna verließ die Cafeteria und folgte einem Gang, der nach rechts zu den Klassenzimmern führte. Die meisten Türen standen offen, auch hier deutliche Anzeichen eines überstürzten Aufbruchs. Taschen und Rucksäcke lagen herum. Bücher und Papier waren über die Schreibtische, aber auch auf dem Boden verteilt. Jenna betrat das erste Zimmer und suchte alles nach Nahrungsmitteln, Wasser oder Kleidungsstücken ab. In eine Stofftasche mit Smiley-Aufdruck packte sie alles, was sie fand. Nachdem sie alle Zimmer abgesucht hatte, war die Ausbeute ganz ordentlich. Sie hatte drei weitere Plastikflaschen mit Wasser, drei Dosen Energiedrinks und eine Coke gesammelt, dazu mehrere Schokoriegel, Kaugummipackungen, Hustensaft und Kopfschmerztabletten. Eine Taschenlampe war natürlich nicht dabei und so beschloss Jenna, nach dem Büro des Hausmeisters zu suchen.
Sie schlich die Gänge entlang und lauschte vor jeder Ecke, bevor sie den nächsten breiten Flur betrat. Es war seltsam, wie vertraut die Räumlichkeiten rochen, nach Turnschuhen, abgestandenem Essen, Kreide … es war, als würde im nächsten Moment das Leben in dieser Schule wieder von Neuem beginnen. Es war gespenstisch still, wie es nur auf Schulfluren still
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