Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
frage ich. Der Flur zweigt in entgegengesetzte Richtungen ab. Ich habe jegliche Orientierung verloren, deshalb kann ich nur hoffen, dass er nichts Dummes anstellt – etwa, uns direkt zum Büro des Wachdienstes führt.
»Hier lang.«
Er biegt nach links ab und wir gehen tiefer in die Düsternis hinein. Der Flur riecht nach Öl, Betonstaub und einem Hauch von verrottetem Fleisch. Das dürfte der Teil der Highgate Mall sein, den die Kundschaft nie zu sehen bekommt. Hier ist alles nackt und kahl. Nicht einmal das Innenleben der Klimaanlage wird durch eine abgehängte Decke verborgen – überall winden sich große silberne Rohre und isolierte Kabel wie metallische Eingeweide. Wir passieren ein weiteres Paar dieser schweren schwarzen Türen und er schreitet selbstbewusst voran.
»Was ist mit deinem Gesicht passiert?«, fragt er, ohne sich umzudrehen.
»Leck mich.«
Er zuckt die Schultern. »Wollte nur freundlich sein. Du bist nicht von hier, oder?«
»Was geht dich das an?«
»Was ist das für ein Akzent?«
»Was sollen die Fragen? Lass uns den Jungen suchen und von hier verschwinden. Dann brauchst du mich nie wiederzusehen.«
»Okay.«
Hier ist die Decke noch niedriger. Ich muss einen Anflug von Klaustrophobie abschütteln, was durch die Wirkung des Koks nicht gerade erleichtert wird.
»Bist du sicher, dass ...«
Er wirbelt herum, und bevor ich eine Chance habe, ihn abzublocken, rammt er mir den Ellbogen seitlich ins Gesicht. Ein Schmerz explodiert in meinem Wangenknochen. Ich taumle zurück und krache gegen die Backsteinwand.
Scheiße!
Er flitzt den Weg zurück, den wir gekommen sind. Der Dreckskerl ist schneller als ich dachte. Ich bemühe mich, die grellen Schmerzen und den Blutgeschmack in meinem Mund zu ignorieren, und renne hinter ihm her. Als ich um die Ecke biege, verlangsame ich zu einem lockeren Trab.
Mit dem ganzen Körper rammt er die schweren schwarzen Türen, schlägt und tritt dagegen wie ein kleines Kind. Er heult regelrecht vor Frustration.
»He!«, schreit er aus voller Lunge. »He! Hilfe! Lasst mich raus!«
Erneut hämmert er gegen die Türen, aber es ist offensichtlich, dass sie nicht nachgeben werden.
Langsam, die Augen weit aufgerissen und voller Panik, dreht er sich zu mir um.
Ich werde das Arschloch umbringen.
Kapitel 4: DANIEL
Es ist fast 23 Uhr und wir sind im Woolworths. Der Laden hat vor knapp zwei Stunden zugemacht; die Schaufenster sind nur schwach beleuchtet und um das Geschäft herum flackern nur eine Handvoll Deckenstrahler. Die Parfümtheken sind von innen beleuchtet, Punktstrahler schielen den Schaufensterpuppen unter die Röcke. In der tausendfachen Reflexion der verspiegelten Theken können die Puppen aus unzähligen Winkeln diese Demütigung betrachten.
Ich habe Schaufensterpuppen noch nie gemocht. Ihre toten Augen, ihre kalte, glatte Haut, ihre frechen kleinen Nippel, die sich genauso hart anfühlen wie der Rest von ihnen.
Narbengesicht treibt mich an. »Geh schon, geh schon«, sagt sie immer wieder.
»Glaubst du, ich hänge hier freiwillig ab? Das ist nicht gerade meine Vorstellung von ...«
»Ich sagte, du sollst gehen!«, schnauzt sie und stößt mich in den Rücken. »Und halt die Klappe!«
»Okay, okay.«
Ich werde ihr zeigen, dass der Junge weg ist, und dann fahre ich nach Hause. Genau so wird der Abend laufen. Man hört ja immer wieder, wie man sich verhalten soll, wenn man überfallen oder entführt wird oder was auch immer: kooperieren, dann ist es schnell vorbei.
Wir navigieren uns an einer Reihe lichtgepfählter Schaufensterpuppen vorbei zur Lebensmittelabteilung. Narbengesicht sieht sich dauernd nervös um, als ob sie sich verfolgt fühlt – in einem leeren Geschäft. Hier ist der Beweis für das, was ich über die Auswirkungen von Rauschgiften gehört habe: Sie verursachen Wahnvorstellungen und Paranoia. Seit sie mich auf dem Parkdeck aufgegabelt hat, hat sie immer wieder ihren bepuderten Finger in den Mund gesteckt.
Ich wusste, dass dieses gruselige Miststück auf Drogen ist – Kokain, Heroin, Speed, was auch immer. Und ich bin zwar größer als sie, aber sie ist schneller. Und brutaler. Ich schmecke immer noch die Kotze in meinem Mund und der Magen tut verdammt weh. Es ist das erste Mal seit der High School, dass ich verprügelt worden bin, und auch noch nie so heftig. Ich dachte erst, sie bringt mich um, als ich versucht habe, wegzulaufen, aber anscheinend ist ihr klar geworden, dass sie mich braucht, um durch das Einkaufszentrum zu
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