Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
stammen könnten. Aber je mehr ich mich bemühe, desto länger wird die Parade der verseuchten Perversen, die an meinem geistigen Auge vorbeizieht. Ein Leprakranker womöglich oder jemand mit eitrigen Schwären. Ich spüre einen Juckreiz zwischen den Beinen, er breitet sich über meine Oberschenkel aus. Ich schwöre, da ist etwas Klebriges.
»Ist alles in Ordnung, Sir?«, fragt die Frau am Schreibtisch.
Ich bilde mir das nur ein. Ich bilde mir das nur ein.
»Äh, ja, danke.«
Kratz dich nicht am Penis, Daniel, das ist ungezogen und obszön.
Ich muss hier raus. Ich muss zu meinem Bewerbungsgespräch.
Ich bilde mir das nur ein.
Kapitel 19: RHODA
Ich habe es geschafft.
Keuchend lehne ich an der Parkhaustür und warte darauf, dass mein Seitenstechen nachlässt. Mein panischer Sprint über den Parkplatz hat meine letzten Reserven an Energie – und vermutlich auch Verstand – aufgebraucht. Meine Brust schmerzt von den abgehackten, hektischen Atemzügen. Ich will mich auf das Gedudel der Berieselungsmusik konzentrieren, mich an irgendetwas festklammern. Die Limousine stand immer noch auf ihrem unmöglichen Parkplatz; als ich daran vorbeigerannt bin, schaukelte sie auf ihren Stoßdämpfern, aber von dem unheimlichen Kerl mit den spitzen Stiefeln keine Spur.
Sicher habe ich mir den Typen nur eingebildet.
Na klar. Genau wie ich mir Mr. Elefantenschädel im Kino und die Rattenfrau in ihrer Müllhalde und die abgedrehten Textnachrichten und den Rest von diesem ganzen dämlichen Mist eingebildet habe.
Also, was jetzt?
Oberste Priorität: Dan finden, dann die Frau ausfindig machen, die es angeblich geschafft hat, aus diesem Albtraum zu entkommen.
Ein Kinderspiel.
Ganz bestimmt nicht.
Na, toll. Die Schizostimme ist zurück. Genau das, was ich jetzt brauche.
Aus dem Korridor vor mir erklingt lautes Lachen, gefolgt vom Klappern sich nähernder Schritte. Ein Paar kommt durch die Passage auf mich zu. Anscheinend kommen sie gerade aus einem Laden, in dem es – der Aufschrift auf den Schaufenstern (Vernagelt) und der riesigen Plastikhand vor der Tür nach zu urteilen – offenbar nichts anderes gibt als Fingernägel.
Der Typ ist locker über zwei Meter groß. Sein Kopf ist viel zu eckig für seinen Körper, es sieht aus, als ob er einen Betonstein auf dem Hals balanciert, und die Frau, die sich an seinen Arm klammert, stolpert auf turmhohen durchsichtigen Plateau-High-Heels daher. Ihr paillettenbesetztes Kleid bedeckt kaum ihren Hintern und die Schuhe sind so hoch, dass ihre verkrampften Wadenmuskeln wie knorrige Auswüchse an dünnen Bäumen aussehen. Beide tragen eine künstliche Bräune in lebhaftem Orange, und selbst von hier, aus guten zehn Metern Entfernung, registriere ich das maßlos übertriebene Make-up auf dem Gesicht der Frau: Lippenstift, der über ihre Mundwinkel geschmiert ist wie ein Clownslachen, und Drag-Queen-Wimpern auf den Lidern. Beide halten riesige Plastiktüten mit Einkäufen in den Händen.
Mein erschöpftes Gehirn weigert sich, auf diesen absonderlichen Anblick zu reagieren. Als hätte mein Bewusstsein entschieden: ›Scheiß drauf, Rhoda, lass dich einfach treiben.‹ Mittlerweile ist es mir egal. Wirklich. Ich fühle mich immer losgelöster von diesem ganzen Quatsch, so als würde ich nur darauf warten, dass mein Verstand endgültig aus den Fugen gerät. Und davon abgesehen muss ich ehrlich sagen, dass ich schon viel Schlimmeres gesehen habe als diese Darbietung haarsträubend schlechten Geschmacks. Tatsächlich finde ich diese beiden, verglichen mit der Rattenfrau und den anderen Gestalten, die hier herumlaufen, relativ harmlos.
»Hallo.« Die Frau lächelt mich im Vorbeigehen an und klimpert mit den Wimpern. Aus der Nähe ist unübersehbar, dass ihre Wangenknochen nicht die sind, mit denen sie auf die Welt gekommen ist. Da dürfte wohl eine ›Schönheits‹-OP aus dem Ruder gelaufen sein. Und an der straffen, glänzenden Haut ihres Dekolletés kann ich erkennen, dass ihre riesigen Titten genauso falsch sind wie ihre Hautfarbe.
»Hi«, grüße ich.
Sie bleibt stehen. »Wissen Sie, Sie sollten sich wirklich mal die Wohnzimmermöbel bei Brandherd ansehen. Die sind zum Sterben schön!«
Ihr Kerl grunzt zustimmend. Auch er trägt Make-up. Seine Poren sind mit Grundierung zugekleistert und der dicke schwarze Kajalstift um die Augen lässt ihn wie Onkel Fester von der Addams Family aussehen. Er grinst mich an und zeigt mir seine zahnlose schwarze Mundhöhle.
»Prima«, sage ich.
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