Labyrinth der Spiegel
mal interessieren. Aber ich frage den Magier lieber nicht danach.
»Ich werde dann mal gehen. Vielleicht ist Vika schon wieder frei«, kündige ich an.
»Pass bloß auf!«, nimmt mich der Magier in ernstem und feierlichem Ton ins Gebet. »Benimm dich anständig gegenüber Vika! Sonst … Das ist ein prima Mädchen, ich würde jedem die Fresse polieren, der ihr was antut.«
Der Magier seufzt und sieht verträumt aufs Meer.
»Ich hätte gern was mit ihr angefangen, aber du bist mir zuvorgekommen«, gibt er zu. »Du solltest aber wissen, dass Vika bis über beide Ohren in mich verliebt war. Wahrscheinlich ist sie es sogar immer noch. Aber mach dir deswegen keine Gedanken! Ich spanne einem Freund nicht die Freundin aus.«
Früher habe ich mal geglaubt, die Computerfreaks aus den TV-Serien seien fiktive Charaktere. Wie sich zeigt, triffst du sie aber auch im richtigen Leben.
»Aber von der Blondine da drüben lass lieber die Finger!«, warnt er mich. »Die fährt total auf mich ab,
seit einem halben Jahr vergeht sie förmlich vor Liebeskummer.«
Die arme Frau, die von ihrem Schicksal nicht das Geringste ahnt, umarmt gerade lachend eine Freundin.
»Oder vielleicht mache ich mich auch an Natascha ran«, überlegt der Magier laut. »Die sind hier nämlich alle hinter den Männern her.«
Er schnappt sich seinen Likör und tänzelt auf die lachende Blondine zu. Ich nutze die Gelegenheit, um mich zu verdrücken.
101
Offenbar habe ich ein paar Windungen zu viel auf der Wendeltreppe genommen, denn ich finde mich im Foyer wieder. Die Kunden von vorhin sind inzwischen weg. Vermutlich kosten sie bereits die Freuden des Lebens.
Jetzt steht ein einzelner Typ neben dem Tisch und blättert das schwarze Album durch. Er ist nicht gerade groß, hält sich gebeugt, hat das Gesicht eines ausgehungerten Murmeltiers und lange lockige Haare, die unter einem Basecap hervorquellen, das er sich bis tief in die Augen gezogen hat.
Ich gehe an ihm vorbei zur Tür, die in den Gang mit den Personalräumen führt, als der Groschen fällt. Der Typ hat das Album bereits weggelegt und stiefelt langsam zur Tür.
»Cappy!«, rufe ich.
Er bleibt stehen und dreht sich im Zeitlupentempo um. Seine Augen zeigen die gleiche Lebensfreude wie die eines gekochten Fischs.
»Du bist doch Cappy«, versichere ich mich.
Null Reaktion. Der Typ glotzt mich bloß mit leeren Augen an.
»Du gefällst mir nicht!«, gestehe ich mit überraschendem Genuss. »Hörst du? Du gefällst mir überhaupt nicht.«
»Da scheiß ich drauf«, erwidert Cappy, während sein Blick zur Seite huscht. Dann dreht er sich wieder zur Tür. Er verfügt nicht über den geringsten Funken Neugier.
Immerhin, er ist auch Russe.
»Halt!«, brülle ich ihm nach. Er bleibt tatsächlich stehen. Völlig gelassen wartet er. »Du solltest dich hier besser nie wieder blickenlassen«, teile ich ihm mit.
Cappy grinst. Das ist die erste Regung in seinem Gesicht, aber auch sie ist mechanisch, als würde ich es mit einem Programm zu tun haben, nicht mit einem Menschen.
»Was hast du hier verloren?«
Anscheinend ist das die Frage, auf die er bereit ist, mir zu antworten. »Ich mache Forschungen zur Gruppenpsychologie.«
»Dann forsche an einem anderen Ort.«
Die trüben Augen tasten mich von oben bis unten ab. »Arbeitest du hier?«
»Nein.«
»Also bist du ein Mutant.«
Diese seltsame Charakteristik begreife ich nicht, so dass Cappy mir erklärt: »Der Verlust der sozialen und ethischen Orientierung. Eine Persönlichkeitsstörung, die eine zwangsläufige und abstoßende Metamorphose bedingt.« Beim Öffnen der Tür schiebt er noch nach: »Völlig uninteressant!«
»Lass das, Leonid!« Vikas Stimme schallt durchs Foyer.
»Das ist nicht nötig!«
Es ist keine leichte Aufgabe, die Kontrolle über mich zurückzuerlangen. Meine rechte Hand zerrt an meinem Gürtel, während die linke zur Faust geballt ist. Den Blick auf Vika gerichtet spüre ich, wie sich meine Wut langsam in Luft auflöst.
»War das Cappy?«, hake ich vorsichtshalber nach.
»Ja.«
»Ich glaube, allmählich begreife ich, warum ihr auf den so reagiert.«
»Hast du dich wieder beruhigt?«, will Vika wissen. »Sehr schön, dann lass uns gehen.«
Ganz habe ich mich nach meinem Ausbruch eben noch nicht wieder im Griff. Komisch, ich hätte nie erwartet, dass man mich so schnell auf die Palme bringen kann – nur durch ein paar hingeworfene Worte.
»Was ist das für einer, Vika?«
Sie spürt, dass sie nicht umhinkommt, mir
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