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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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es ab, ob in Windows Home die Zeile Drücken Sie diese Taste, um die Arbeit zu beginnen erscheint? Was sind die drei zuverlässigsten Möglichkeiten, um Windows zum Absturz zu bringen? Wer hat OpenGL entwickelt? Was ist das beste Protokoll für Modems der Firma …«
    Der Bettler ergreift die Flucht.
    Vermutlich hat Maniac nicht gelogen.
    Zumindest sind diese Albernheiten harmloser als jene waghalsigen Autorennen, die bei den Neureichen vor einem Jahr in Mode gewesen sind. Ihretwegen ist damals der Gebrauch von Privatautos verboten worden, so dass der Deep-Explorer triumphierend dieses Segment der Personenbeförderung übernommen hat.
    Nach der Begegnung mit dem Bettler ist meine trübe Stimmung wie weggeblasen. Stattdessen bin ich, als ich den Eingang zum Labyrinth erreiche, wild entschlossen zum Kampf.
    Wie immer drängt sich vor dem Torbogen eine Riesenmenge. Noch funktioniert das Labyrinth, also habe ich bisher alles richtig berechnet. Doch die Angst, vor verschlossener Tür zu stehen, will selbst jetzt nicht weichen. Hastig drängle ich mich zwischen den Spielern durch.
    Und erst als ich mein Passwort eingebe und das dreiunddreißigste Level betrete, beruhige ich mich wieder.
    Dann mal los!
    Denn ich bin der Revolvermann!

110
    Wind fegt durchs Level. Ein schaukelnder Metallwagen der Achterbahn quietscht, kippt halb aus den Gleisen und hängt direkt über dem Kopf des Losers.
    Wunderbar! Eine weitere Todesart!
    »Hey!«, rufe ich, als ich mich ihm nähere. »Ich bin’s!«
    Der Loser hebt den Kopf. Ob das ein gutes Zeichen ist?
    »Wie sieht’s aus, langweilst du dich schon?«
    Kaum setze ich mich neben ihn, nimmt der Loser seine Gasmaske ab. Er sieht mich mit müdem und hoffnungslosem Blick an.
    »Bist du ein Programm oder ein Mensch?«, packe ich den Stier bei den Hörnern. Der Loser schüttelt den Kopf. Ich durfte mir wohl selbst aussuchen, worauf ich die Verneinung bezog.
    »Du weißt, dass man dich Loser nennt?«, fahre ich fort. »Aber gegen dich ist sogar Hiob ein Glückspilz! Dein Pech ist einfach einmalig!«
    »Das ist nicht … nur mein Pech«, bringt er endlich ein Wort heraus.

    »Willst du damit sagen, deine Retter taugen nichts?«
    Ich bin so munter und geschwätzig, als hätte ich ein Gläschen zu viel getrunken. Andererseits muss ich den Loser ja ein bisschen auf Trab bringen. Hauptsächlich, um mich davon zu überzeugen, dass er kein Programm ist. So blöd das auch klingt.
    »Meine Retter haben gute Arbeit geleistet. Die Sache ist die, dass niemand diese Hürde nimmt.«
    »Welche Hürde?«
    »Die des Bewusstseins.«
    Der Loser gibt seine Erklärungen geduldig ab – bringen tun sie trotzdem nichts. Jedenfalls sehe ich auch jetzt nicht klarer.
    »Lass uns lieber aus der Gefahrenzone verschwinden«, schlage ich vor und deute mit dem Blick auf den schwankenden Wagen. »Und eigentlich sollten wir aufbrechen.«
    »Du wirst es auch nicht schaffen, mich zu retten«, haucht der Loser, rückt aber brav zur Seite.
    »Das werden wir ja sehen!«
    Irgendwie warte ich auf etwas, auch wenn ich selbst nicht weiß, auf was. Auf die Maßnahmen, die Urmann angekündigt hat? Auf die Schließung des Levels?
    »Loser … ich darf dich doch so nennen, oder? Magst du Gedichte?«
    Schweigen.
    Ein Programm kann ein Gespräch imitieren, indem es die Antworten aus meinen eigenen Worten generiert.
    Aber Programme sind nicht kreativ.

    »Mein Oheim handelt recht und billig«, zitiere ich. »Na, mach mal weiter! Oder ist das zu viel verlangt, Loser?«
    »Da Krankheit ihn gebannt ans Haus.« Er sieht mich mit einem Ausdruck so voller Ironie an, dass mir ganz anders wird. »Sag mal, Revolvermann, können alle russischen Diver nur Puschkin auswendig?«
    »Ist Anatole dir auch mit ihm gekommen?«
    »Ja. Aber er nicht mit Jewgeni Onegin , sondern mit einem Gedicht, in dem es um zauberische Sekunden ging.«
    Im Grunde ist unsere Naivität zum Brüllen komisch. Wie sehr wir doch den Klischees entsprechen. Trotzdem stelle ich ausgerechnet die Frage, die etwas in mir – vielleicht jene verdammte Hürde, vielleicht aber auch den gesunden Menschenverstand – kaputtgehen lässt. »Und was hat Dick vorgetragen? Shakespeare?«
    »Carroll«, antwortet jemand hinter mir.
    Dick steht ganz in unserer Nähe, Anatole etwa fünf Meter entfernt, mit der BFG im Anschlag.
    »Ich habe genauso neben ihm gesessen«, berichtet Dick. »Ich habe da gesessen …« Er setzt sich vor den apathischen Loser und sagt:
    »’Twas brillig, and the slithy

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