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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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und Asche gelegt. Die Software lässt sich zwar relativ leicht neu installieren, aber die Reputation der Vergnügungen ist für immer futsch. Ich muss also nochmal bei null anfangen.«
    »Das tut mir sehr leid«, bemerkt der Loser leise. »Ich … ich wollte euch nicht solche Probleme bereiten.«
    »Ich bin noch nicht fertig! Wir sind nach wie vor auf der Flucht. Und falls du es bisher noch nicht verstanden haben solltest: Aus diesem Raum kommen wir mit den üblichen Methoden nicht raus. Vielleicht gibt es Ausgänge, aber ob wir die in den nächsten Jahren finden, ist fraglich. Ljonja und ich sind Diver. Wir könnten hier jederzeit weg. Allerdings könnten wir nicht hierher zurückkehren, so dass du allein dasitzen würdest. Wahrscheinlich für immer. So also stellt sich unsere Situation aus … aus moralisch-ethischer Sicht dar.«
    »Das tut mir sehr leid«, wiederholt der Loser.

    »Und nun zu dir. Schließlich bist du irgendwie der Grund für all das.«
    Der Loser zuckt zusammen, sagt aber kein Wort.
    »Du bist entweder ein Mensch oder ein computergeneriertes Wesen. Letzteres erscheint mir sehr zweifelhaft. Wenn du ein Mensch bist, dann bist du vermutlich imstande, selbstständig in die Tiefe ein- und wieder aus ihr aufzutauchen. Wie die Diver, sogar auf eine noch coolere Weise. Stimmt’s? Sonst wärst du nach über drei Tagen im virtuellen Raum nämlich nicht mehr so munter. Hast du dazu etwas zu sagen?«
    Stille.
    »Das ist mein Ernst. Ich schließe nicht aus, dass du dazu imstande bist«, fährt Vika fort. »Schließlich sind anderthalb Kilo Hirnmasse ein wesentlich größeres Rätsel als ein Gramm Silicium in einem Mikrochip. Ich kann mir also durchaus einen Menschen vorstellen, der ohne VR-Helm, Modem und Deep-Software in den virtuellen Raum geht. Ich kann mir sogar seine Euphorie vorstellen … und den leichten Schock nach einem derartigen Eintritt. Und warum sollte er seiner Umwelt nicht was vormachen? Warum sollte er sich nicht mit einer geheimnisvollen Aura umgeben? All das ist durchaus nachvollziehbar. Du solltest dabei nur eins nicht vergessen: Inzwischen ist das kein Scherz mehr, sondern man will uns ernsthaft ans Leder. Und mit jeder Minute wird es schwieriger, diese Situation zu klären. Abgesehen davon können wir uns nicht ewig mit dir beschäftigen!«
    »Ich … ich bin müde … einfach müde …« Der Loser sieht mich an, als erwarte er Hilfe von mir.

    Aber da hat er sich verrechnet.
    »Bleibt die Frage, wie weiter?«, ergreift Vika wieder das Wort. »Noch länger blindlings zu fliehen wäre idiotisch. Das Ganze auf die lange Bank zu schieben bringt nichts. Wenn du dich nicht outen willst, uns nicht vertraust oder deine schöne Legende nicht platzenlassen willst, dann sag es uns – und schon sind wir weg. Die Newbies werden danach mit Vergnügen das Märchen verbreiten, dass du in der Tiefe verlorengegangen bist … Aber wenn du uns vertraust, dann verrat uns, wer du bist und warum du das alles machst. Damit hast du zwei Möglichkeiten – nicht schlecht, finde ich.«
    Sie verstummt. Ich nehme ihre Hand und drücke sie sanft. Ich wäre nie resolut genug, um eine Situation so klar darzulegen, sie an den Punkt »entweder – oder« zu bringen.
    »Ich …«, der Loser stockt und stiert ins Feuer. Das Holz knistert, Funken sprühen und steigen in den dunklen Himmel auf. »Das ist alles meine Schuld. Ich war müde, müde von der Stille … Trotzdem hätte ich das nie tun dürfen.«
    »Wovon redest du da?«, fragt Vika in einem wahrscheinlich zu scharfem Ton. Aber der Loser hängt seinen eigenen Gedanken nach und ist völlig am Ende.
    »Es war immer viel zu ruhig …«, murmelt er. »Das machst du dir vorher einfach nicht klar, niemand tut das. Wie die Geräusche sterben, die Farben verblassen. Jede Sekunde ist wie ein Jahrhundert. Wie eine Milliarde von Jahrhunderten. Man hat mich zwar gewarnt, aber das habe ich nicht geglaubt.«

    Er ringt nach Luft und streckt die Hand zum Feuer aus. Die Flamme berührt seine Finger.
    »Mir ist nichts geblieben, kein Schmerz, keine Freude. Nur die ewige Stille. Überall. Das ewige Nichts. Und das Nichts hat keine Grenze. Das habe ich nicht mehr ausgehalten.«
    Seine Hand streichelt sanft die Flamme.
    »Ich kann euch das nicht erklären. Also geht!«
    Ich sehe Vika an. Jetzt würde sie ihm doch sicher ordentlich den Marsch blasen, oder? Aber nein, in Vikas Augen mache ich nur den Widerschein des Feuers, die schwarze Nacht und die rote Flamme aus. Die

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