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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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Stille , von der der Loser gesprochen hat, hat sie berührt. Genau wie mich neulich.
    Ich stehe auf und ziehe den Loser vom Feuer weg. Die Autosuggestion ist eine starke Kraft. Wenn du dich in der Tiefe verbrennst, kannst du deshalb sogar mit echten Brandblasen rechnen. Vorsichtshalber überrede ich ihn dazu, zu dem Bach in der Nähe zu gehen und seine Hand in das kalte Wasser zu halten.
    »Folgender Vorschlag«, entscheide ich. »Jetzt schlafen wir erst mal. Wir legen uns einfach hin, statt uns länger gegenseitig aufzustacheln. Vika und ich tauchen auf, denn wir müssen etwas Richtiges essen. Wir kappen aber unsere Verbindung nicht, damit wir wieder hierher zurückkommen können. Und du … du tust, was du für richtig hältst. Morgen klären wir dann, wie weiter.«
    Der Loser schweigt und fährt mit der Hand durchs Wasser.

    Ich gehe zu Vika. Sie hat sich bereits wieder im Griff, aber ihr Widerspruchsgeist ist irgendwie verflogen.
    »Kann man dich hypnotisieren?«, frage ich sie. Vika schnaubt verächtlich. Das ist eine rhetorische Frage, denn kein Diver kann hypnotisiert werden. Wenn wir nicht mal der Droge des Deep-Programms erliegen, wird man uns allein mit Worten nicht packen können. »Eben«, sage ich. »Doch selbst wir Diver können uns dumm stellen. Aber wie sieht es mit der Stille aus? Können wir in die gestoßen werden?«
    »Ich bin auch müde«, flüstert Vika. »Noch eine Stunde, und ich fasel einen derartigen Blödsinn zusammen, dass selbst der Loser vor Neid erblasst.«
    »Wir tauchen auf, essen was und legen uns dann schlafen. Hast du was im Haus?«
    »Selbstverständlich.«
    »Bestens. Du isst etwas und legst dich hin. Morgen früh treffen wir uns wieder hier und sehen weiter.«
    Der Plan überzeugt sie. Zusammen mit dem Loser schaffe ich noch drei Armvoll Kiefernzweige heran, die wir neben dem Feuer ausbreiten.
    Dieses Bett stellt sich als so bequem heraus, dass ich mich zwingen muss, nicht auf das Essen zu verzichten.
    Tiefe … Tiefe … ich bin nicht dein …
    Meine Lider waren bleischwer, ich bekam sie kaum auseinander. Auf den Displays tanzte das Feuer, in den Kopfhörern rauschten die Kiefern. Vika drehte sich um und legte sich bequemer hin.
    »Ljonja, willst du die Verbindung trennen?«, fragte Windows Home.

    »Nein!«
    Ich nahm den Helm ab und sah auf die Uhr.
    Es war schon spät, aber noch nicht so spät, um nicht noch bei meiner Nachbarin vorbeizuschauen. Das Bier musste noch ein wenig warten.
    Ich zog das Kabel vom Sensoranzug heraus, beruhigte den aufgebrachten PC und betrachtete mich im Spiegel.
    Ein Clown. Mit einer Schnittstelle am Gürtel. Wir wollen doch nicht die alte Oma erschrecken, oder?
    Im Korb mit der Dreckwäsche lag noch ein Trainingsanzug. Den zog ich über den Sensoranzug, das Kabel rollte ich ein, steckte es hinter den Gürtel und schob es unter die Jacke. Okay, das ging schon eher, das sah aus wie ein normaler, wenn auch etwas dicklicher Typ.
    Im Treppenhaus klampfte jemand leise auf einer Gitarre. Ich linste durch den Spion, ehe ich die Tür aufschloss.
    Die üblichen Teenies drückten sich auf dem Treppenabsatz zwischen zwei Stockwerken herum. Einer spannte gerade die Saiten. »Einsamer Vogel, du fliegst hoch«, sang er.
    Sobald sie mich sahen, wurden sie verlegen, warum auch immer. Nur mein Nachbar von über mir haute mich prompt an: »Ljonja, haben Sie eine Zigarette?«
    Ich schüttelte den Kopf. Mir entging nicht, wie der Junge auf die Trainingshose schielte, die sich seitlich ausbeulte. Genau mit den Maßen einer Schachtel Kippen. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass manche Menschen mit einer Schnittstelle am Gürtel lebten?

    Ich klingelte an der Nachbartür und wartete auf die schlurfenden Schritte sowie das alarmierte: »Wer da?« Allein dem Spion und den eigenen Augen traute die Alte nie.
    »Ljudmila Borissowna, entschuldigen Sie bitte vielmals«, ratterte ich an die Tür gewandt los. »Dürfte ich vielleicht Ihr Telefon benutzen? Meins ist kaputt.«
    Nach einem ganz kurzen Zögern klackerten die alten Türschlösser.
    Kaum hatte ich mich durch den engen Spalt gequetscht, fiel hinter mir die Tür wieder ins Schloss.
    »Sitzen diese jungen Männer wieder da draußen?«, wollte Ljudmila Borissowna wissen. Die Alte war schon über siebzig und mied jeden offenen Streit mit einer Horde Jugendlicher.
    »Ja.«
    »Du musst mal mit denen reden, Ljonja! Man hat ja keine Ruhe mehr!«
    In die Wohnung drang kein Geräusch vom Treppenhaus herein, die Alte

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