Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
Richelieu die Worte hörte: »Alles, was dieser Mann tat, tat er zum Wohle Frankreichs«, war das wesentlich weniger beeindruckend.
    Vor mir liegt der legendäre Orden der Allmächtigkeit. Er gibt einem das Recht, alles zu tun, was in der Tiefe möglich ist.

    Friedrich Urmann würde mir die Tür aufhalten und mich höchstpersönlich zur Brücke geleiten, wenn er diesen Button sähe.
    Vielleicht würde er anschließend ein paar Killer anheuern, um mit mir abzurechnen. Aber in der Tiefe würde er eine ausgesuchte Höflichkeit an den Tag legen.
    Bisher habe ich den Orden der Allmächtigkeit noch nie mit eigenen Augen gesehen. Dmitri Dibenko hat ihn seinerzeit erhalten, das weiß ich. Eben für die Erschaffung der Tiefe .
    Erst wenn du etwas getan hast, das für den gesamten virtuellen Raum von existenzieller Bedeutung ist, gelten alle deine weiteren Taten als Segen.
    »Der wird hier auf diesem Tisch auf Sie warten«, teilt mir der Mann Ohne Gesicht mit. »Sobald Sie das Problem gelöst haben … gehört er Ihnen.«
    Ich nicke wortlos.
    »Behalten Sie im Hinterkopf, dass es auch andere Anwärter gibt«, setzt mich der Mann Ohne Gesicht ins Bild. »Wir suchen in der ganzen Tiefe nach Divern. Und wir finden viele. Und allen unterbreiten wir das gleiche Angebot wie Ihnen.«
    »Was ist denn überhaupt im Labyrinth passiert?«, frage ich und wende den Blick vom Orden.
    »Das weiß ich nicht. Und das beunruhigt mich.«
    Ich gestatte mir ein Grinsen. Klar, er weiß es nicht.
    »Bisher gab es für alle Ereignisse im virtuellen Raum eine Entsprechung in der realen Welt. Für Fun, Business, die Wissenschaften und Kontakte.«
    Wie aufschlussreich! An erster Stelle nennt er Fun.

    »Aber diesmal ist es anders … Viel Erfolg, Diver. Sie können gehen.«
    Der Mann Ohne Gesicht nickt Richtung Tür.
    »Ich nehme meinen eigenen Weg.«
    »Sie wollen sich zu erkennen geben?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Zum Abschied blicke ich in den trüben Nebel seines Gesichts.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Ich setzte den Helm ab und langte zögernd nach dem Modem, um das Telefonkabel herauszuziehen.
    »Die Verbindung ist unterbrochen!«, teilte Vika mir mit.
    »Ich weiß, Kleines.«
    Damit hättest du nicht gerechnet, was, mein geheimnisvoller Unbekannter?! Mit diesem banalen Schritt. Ich hatte einfach auf den Standardaustritt aus dem virtuellen Raum, den man verfolgen könnte, verzichtet und den Faden stattdessen mit einem einzigen Schnitt gekappt.
    Okay, das war barbarisch. Dafür unterblieb aber jeder Datenaustausch zwischen meiner Adresse und jenem Computer, über den das Lager lief.
    »Das akustische Signal fehlt«, konstatierte Vika. »Überprüf die Verbindung!«
    »Fahr den Rechner herunter!«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Der Bildschirm zeigte eine weiße fallende Figur vor blauem Hintergrund.

    »Du kannst den Computer jetzt ausschalten«, flüsterte Vika leise.
    Gute Nacht, treueste aller Freundinnen. Ich drückte auf den Schalter, und das leise Surren meiner Kiste verstummte. Anschließend stellte ich das Modem ab. Ich brauchte eine ruhige Nacht, sollten die Mails ruhig bis morgen warten. Es war eh bereits halb vier, bald würde es hell werden.
    Ich wollte unbedingt schlafen, nach all den neuen Informationen platzte mir schier der Kopf.
    Ich zog den Sensoranzug aus. Dieser Schweißgestank! Ekelhaft! Den hätte ich längst waschen müssen. Dann ließ ich mich einfach aufs Sofa fallen. Nur gut, dass ich es gestern nicht gemacht hatte. Ich war eben … umsichtig geworden!
    In den letzten drei Jahren.

101
    Als ich aufwachte, war es bereits Viertel vor eins. Der Fernseher, der sich um zehn Uhr eingeschaltet hatte, brummte leise. Der Rechner schwieg angesichts des Stromentzugs vorwurfsvoll auf dem Tisch.
    »Guten Morgen, reicher Mann«, flüsterte ich Richtung Decke.
    Jetzt würde ich meine Wohnung wechseln. Mir eine anständige Zweizimmerwohnung im Zentrum kaufen, in einem schönen Ziegelsteinbau, mit Blick auf die Newa. Dieses Ding in dem dreckigen, vom Wind heimgesuchten Arbeiterbezirk loswerden.
    Auch Vika könnte ein neues Zuhause gebrauchen. Ich würde ihr eine neue Kiste spendieren, ein Markenprodukt, mit lizenzierter Software und ein-, zweihundert Megabyte Arbeitsspeicher. Dazu ein HVD-Laufwerk samt Speichermedien bis zu tausend Terabytes, ein Funkmodem, ein hypersensibles Mikro von Siemens, einen Farbdrucker, keine Ahnung warum, aber schaden konnte es ja nicht, einen normalen Scanner anstelle meiner Antiquität, die noch

Weitere Kostenlose Bücher