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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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nach Handarbeit verlangte, und eine eigene
Telefonleitung von einer neuen Gesellschaft. Scheiße! Der Spaß würde mich glatt fünfzigtausend Rubel kosten!
    Also: Brauchte ich wirklich zwei Zimmer? Selbst jetzt stand meine Küche leer, da ich den Kühlschrank und die Mikrowelle schon vor Ewigkeiten im Zimmer untergebracht hatte. Und Wasser holte ich mir aus dem Bad, das ging schneller.
    Aber Vika würde ihre Einzugsparty kriegen. War ja wohl nichts dabei, meine Freunde zu einer solchen Party einzuladen, oder?
    Ich stand auf, ging zum Kühlschrank und holte eine Dose Bier heraus. Vor zwölf trank ich nie, aber es war ja schon fast eins. Das nenn ich perfekt getimt aufwachen!
    Das leichte Schultheiss kam mir jetzt beinah kräftig vor. Ansonsten hieß es demnächst wohl Abschied nehmen: Lebt wohl, Bavaria 8,6 und Amsterdam Navigator, ihr wahren Freunde armer Hacker! Von heute an würde es nur noch Guinness, Heineken und Kilkenny geben! Die belgische Mortadella würde anständiger Moskauer Cervelatwurst und kaltem Schweinebraten Platz machen müssen. Außerdem würde ich … mir eine Kaffeemaschine zulegen. Löslicher Kaffee hing mir allmählich zum Hals raus!
    Als ich mich rasierte – das erste Mal seit zwei Tagen – und mich dabei empfindlich schnitt, gaukelte mir die Fantasie des Neureichen noch einen Wilkinson Protector vor. Mehr wollte mir partout nicht einfallen, nur kurz schoss mir noch die unausgegorene Idee eines zweiten Telefonanschlusses samt zusätzlichem Modem durch den Kopf, damit Vika Mails empfangen und simple Aufträge
erledigen konnte, während ich mich in der Tiefe rumtrieb.
    Doch das war letztlich überflüssig. Schließlich besaß nicht mal Maniac einen zweiten Anschluss.
    Ach ja, ihm schuldete ich noch ein Bier, das durfte ich auf keinen Fall vergessen. Schließlich hatte er mir gestern das Leben gerettet, sozusagen.
    Auch sonst schob ich das Ganze lieber nicht auf die lange Bank. Wer weiß, vielleicht könnte ich ihn in einer Woche ja doch wieder nur zu einem Navigator einladen – was zwar auch Bier war, sogar starkes, aber irgendwie eigenartig schmeckte.
    Ich schaltete den Computer ein, ging ins Internet und überwies zehn Minuten später, ohne den virtuellen Raum auch nur betreten zu haben, fünftausend Dollar auf mein Petersburger Konto. Nachdem ich kurz im Schrank gewühlt hatte, zog ich ein einigermaßen sauberes Hemd und alte, aber frisch gewaschene Jeans heraus und steckte mir meinen Pass und die Visakarte in die Tasche. Was noch? Richtig, um das Bier musste ich mich ja kümmern!
    Auf dem Balkon stand einsam und verlassen ein alter Fünf-Liter-Kanister. Ich schraubte ihn auf und schnupperte daran. Es stank nach eingetrocknetem Bier, genauer nach Shigulewskoje. Ich spülte ihn erst mit kaltem, dann mit heißem und schließlich nochmal mit kaltem Wasser aus, stopfte ihn in ein Einkaufsnetz, das noch von den früheren Wohnungsbesitzern an einem Nagel in der Diele hing (ich konnte mich nie aufraffen, etwas wegzuschmeißen), und verließ das Haus.

    Wie viel sauberer und ordentlicher mein Hauseingang im virtuellen Raum doch war! Da müffelte es auch nicht so nach überschwemmten Kellern und streunenden Katzen!
    Sobald ich die engen Gassen hinter mir hatte, stellte ich mich an den Straßenrand und hob den Arm. Ich musste ziemlich lange warten. Irgendwann erbarmte sich meiner ein schrottreifer Shiguli und hielt an.
    »Zur KredoBank«, sagte ich.
    So komisch es klingt, aber der Typ wusste sogar, wie er fahren musste.
    Zwanzig Minuten später bezahlte ich die Fahrt mit dem Rest meines Bargelds, um sodann meine Schritte unter dem finsteren Blick der Security-Leute in den Palast geheimer und offener Gelder zu lenken. Nach weiteren zwanzig Minuten, die für alle möglichen Überprüfungen, Telefonate mit der Zentrale der Bank und Bitten um Bestätigung der Kontonummer draufgingen, händigten mir die Bankangestellten, inzwischen weitaus freundlicher, tausend Dollar aus. In Rubel, versteht sich.
    Damit betrat ich nach weiteren fünfzehn Minuten den Irish Pub Molly in der Rubinstein Staße 36. Tagsüber gab es hier kaum Leute. Immerhin etwas. Am Eingang lümmelten sich ein paar Hackfressen von Türstehern. Als sie den Kanister im Einkaufsnetz registrierten, bekamen sie allerdings einen Starrkrampf. Ich marschierte schnurstracks an ihnen vorbei in das gemütliche Halbdunkel des Souterrains, steuerte auf die lange Theke zu und grinste den Mann dahinter an.

    Zu meinem Glück war der Barkeeper im Molly

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