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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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Engländer. Was du auch sonst von ihnen halten mochtest, in manchen Dingen waren sie uns weit überlegen. Er lächelte und sah mich fragend an.
    »Hallo, Christian«, sagte ich. »Könnte ich fünf Liter Bier kriegen?«
    Das Bier gleich in Litern abzuzapfen – daran war er ohne Frage nicht gewöhnt. Trotzdem brauchte er bloß fünf Sekunden, um zu seinem Lächeln zurückzufinden. »Welches denn?«
    »Shigulewskoje.«
    Die Türsteher hinter mir – wieso nur hatten sie doch beschlossen, mich im Auge zu behalten? – atmeten geräuschvoll ein.
    »Das war ein Witz«, erklärte ich. »Guinness natürlich.«
    Daraufhin reichte ich Christian den Kanister.
    Selbstbeherrschung war garantiert ein Muss für die besten Barkeeper Europas. Und genau in dieser Liga spielte Christian. Er nahm den Kanister behutsam an sich, balancierte ihn auf der Hand, als wolle er das Fassungsvermögen abschätzen, und machte sich daran, ihn aus dem blitzenden Hahn zu füllen.
    Die Türsteher in meinem Rücken verloren gerade ihren Verstand – was mich ungeheuer amüsierte.
    »Warten Sie, bis sich der Schaum gesetzt hat«, verlangte Christian mit starkem Akzent, als er mir den Kanister auf den Tresen stellte. Was für ein Typ! Ich ging nur selten ins Molly , und eine solche Sachkenntnis war mir hier bisher noch nicht untergekommen.

    »Dann nehme ich noch ein Gläschen zum Hiertrinken«, sagte ich und drehte mich um.
    Die Türsteher taten so, als studierten sie die Batterie von Flaschen hinter Christian. Schon verstanden! Solange sie sich nicht von meiner Zahlungsfähigkeit überzeugt hatten, würde ich mein Bierchen nicht in Ruhe trinken können.
    Also zog ich im Zeitlupentempo einen Packen kleiner Scheine aus der rechten Jeanstasche und zählte nach. Die Hackfressen atmeten schon wieder schneller.
    Echt! Sah ich etwa so abgerissen aus?
    Kurzentschlossen beförderte ich aus der linken Tasche einen dicken Packen Hunderttausender zutage, legte drei Lappen auf den Tresen, nahm mein Glas und drehte mich erneut um.
    Hatte hier nicht gerade eben noch jemand gestanden? Nein, ich musste mich getäuscht haben.
    Ich setzte mich an den nächsten Tisch und trank langsam und genussvoll einen Schluck vom besten aller Biere, die in dieser sündigen Welt ersonnen worden waren. Anschließend nahm ich von dem amüsierten Barkeeper (Europa! Diese Leute bringst du einfach nicht aus der Ruhe!) den Kanister entgegen und steckte nach kurzem Zögern auch das Wechselgeld ein. Das ging in Ordnung, das Bier war ohnehin teuer genug.
    Denn nur in der Tiefe kostete eine Dose Bavaria in etwa genauso viel wie ein Fass Guinness.
    Ergatterte ich diesmal wirklich schneller ein Taxi oder rannte die Zeit bloß? Jedenfalls stieß ich, als ich in einen klappernden Wolga sprang, fröhlich aus: »Zu Maniac! Aber fix!«

    Mich starrten zwei weit aufgerissene Augen an. »Raus hier!«, schnauzte der Fahrer.
    Bevor ich das nächste Auto anhielt, dessen Fahrer sich etwas dazuverdienen wollte, rief ich mir in Erinnerung, dass ich mich in der realen Welt befand, und nicht im virtuellen Raum, wo die geduldige Vika einen dahingeworfenen Befehl in eine für alle verständliche Adresse umwandelte.

110
    Maniac lebte auf der Wassiljewski-Insel. Schnaufend stapfte ich in den vierten Stock hoch – als das Haus gebaut worden war, waren Fahrstühle noch eine Sensation  – und klingelte. Einmal, zweimal, dreimal … Pause. Einmal, zweimal. Selbst wenn Maniac in der Tiefe war, würde der an alle Leitungen in der Wohnung angeschlossene Rechner auf den Klingelcode an der Tür reagieren und ihn aus dem virtuellen Raum rauswerfen.
    In der Tiefe der Wohnung hörte ich Schritte. Kurzentschlossen legte ich den Finger auf den Spion.
    »Wer ist da?«, fragte Maniac mürrisch.
    »Haben Sie einen Tennisschläger bestellt?«
    Eine Pause. Maniac kam garantiert gerade aus der Tiefe und war nicht für Witze aufgelegt.
    »Wer?«
    »Verdammt nochmal, ich bin’s!« Ich nahm den Finger weg.
    Maniac hantierte an den Schlössern und öffnete die Tür. Ich trat ein. Sein nackter Körper steckte im VR-Anzug, in der Hand hielt er eine Waffe, ein gewaltiges Ding, das
den hageren und schmächtigen Hacker wie einen Jungen aussehen ließ, der Krieg spielte.
    »Oh«, sagte ich nur.
    »Also … ich musste schnell noch einem Typen einheizen … der hätte mich beinahe abgemurkst.« Weitere Erklärungen sparte er sich. Maniac schloss die Tür ab. »Sitzt du in der Tinte?«, fragte er mitleidig, wobei er den Kanister

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