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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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feuert mir eine Kugel in die Brust. Sie zerreißt mein Herz, tritt wieder aus und durchbohrt den Sänger. Unter Krämpfen stirbt er.
    Das war’s. Ich habe versagt.

    Ich stehe auf und stapfe auf Alex zu. Mein Herz schlägt bereits nicht mehr, aber was heißt das schon? Ich bin ein Diver. Der einzige Feind der Tiefe , der Hüter zwischen den Welten, derjenige, der nicht versagen darf. Ich bin daran gewöhnt, ohne Herz zu leben. So leicht bringt mich niemand um.
    Der Saal hinter mir heult, applaudiert, pfeift und stampft mit den Füßen.
    »Dir hab ich’s gezeigt«, frohlockt Alex und lässt die Winchester sinken.
    Jetzt tritt Vika hinter ihm hervor. Sie streckt mir die Hand entgegen, in der sie fette, graue Asche festhält.
    »Ich habe diesen Stern gefunden«, flüstert sie und öffnet die Faust.
    Die Asche fällt kreisend auf den Boden.
    Da sterbe ich.
     
    Als ich aufwache, atme ich gierig ein. Es tagt bereits. Die Luft ist berauschend frisch. Vika schläft an meine Schulter geschmiegt und eingerollt, weil sie friert.
    Toller Traum!
    Wie heißt es in einem Witz über Freud: »Weißt du, meine Tochter, es gibt auch Träume, die einfach Träume sind.«
    Angeblich bringt es ja Unglück, im virtuellen Raum zu schlafen.
    »Vika.« Ich berühre ihre Schulter, sie zuckt zusammen, wacht aber nicht auf.
    Ich stehe auf und decke sie mit meinem Teil der Decke zu. Die Lampe im Gras brennt nicht mehr. Ich gehe ins Haus.
    Es ist klein, hat nur einen Raum, ein Schlafzimmer, dazu Bad, Toilette und Küche. Ich hole Kaffeesahne,
Käse und Pastete aus dem Kühlschrank, koche auf dem kleinen Herd Kaffee, mache uns Brote zurecht, stelle alles auf ein kleines Tablett und kehre damit zu Vika zurück.
    Sie schläft noch.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Oh, oh, da hatte ich ordentlich was weggeratzt. Inzwischen war es drei Uhr nachmittags.
    Ich stapfte ins Bad, wusch mich und putzte mir sogar die Zähne. Mit dem VR-Helm unterm Arm marschierte ich ins Zimmer zurück, holte aus dem Kühlschrank eine Dose Limo, einen Joghurt und ein Stück Wurst. Eine idiotische Zusammenstellung – aber was spielte es schon für eine Rolle, was ich in der Realität aß? Hauptsache, mein Magen bekam was zu tun.
    Jene Vika auf dem Computermonitor schlief ebenfalls. Ich schämte mich ein wenig vor dem Programm – das ich mit einem Menschen betrog.
    Deep.
    Enter.
    Ich streichle jener fast echten Vika übers Haar. »Zeit aufzustehen«, flüstere ich.
    Sie wacht auf. Verwirrt sieht sie mich an, doch kurz darauf lächelt sie. »Danke.«
    »Wofür?«
    »Weil … ich so gut geschlafen habe. Das kommt nicht oft vor.«
    »Ich habe Frühstück gemacht«, sage ich ihr.
    »Dafür wäre ich doch zuständig«, erwidert sie mit einem theatralischen Seufzer. »Danke, Leonid.«

    Wir trinken Kaffee und essen die Brote, irgendwo tief im Wald singt ein Vogel.
    »Ich habe schlecht geträumt«, erzählt mir Vika.
    »Etwas von einer Bühne?«, erkundige ich mich und mein Herz stockt, als sei es abermals von einer Kugel zerfetzt worden.
    »Nein. Davon, dass ich einen gefallenen Stern gefunden habe, der aber schon erloschen war. Völlig.«
    Jetzt hämmert mein Herz, und in meinen Schläfen pulsiert es schmerzhaft.
    Ich sollte wirklich nicht im virtuellen Raum schlafen.
    Welche Fäden sich wohl zwischen uns gesponnen haben, nachdem wir in der Tiefe eingeschlafen sind? Denn jedes Mal, wenn ich im Schlaf lautlos geflüstert oder eine Grimasse gezogen habe, jedes Mal, wenn ich die Muskeln angespannt oder die Wimpern bewegt habe, hat es einen elektrischen Impuls gegeben, der durch die Tiefe getragen worden ist.
    Nur um die Frau neben mir zu berühren.
    Die ebenfalls schläft.
    Nur um in ihren Traum zu kriechen.
    Es bringt Unglück, in der Tiefe zu schlafen.
    »Wir gehen ihn morgen suchen«, sage ich.
    Vika sieht mich mit ironischem Blick an. »Bist du etwa der Neffe eines Millionärs?«, fragt sie.
    Ich zucke die Achseln.
    »Ich würde dich gern wiedersehen. Einfach nur sehen.«
    Sie zögert, bevor sie fragt: »Sag mal … mache ich dich eigentlich nicht an?«

    »Sexuell?«
    Vika nickt.
    »Doch.«
    »Warum willst du dann nicht …?«
    »Das sollte nicht so leicht sein.« Und dann brauche ich eine Weile, ehe ich die Kraft finde hinzuzufügen: »Und es sollte nicht gekauft sein.«
    »Ljonja, du drehst langsam durch.«
    »Kann sein.«
    »Du weißt doch überhaupt nicht, wer ich bin. Das hier …« Sie führt ihre Hände ans Gesicht. »… ist eine Maske. Schminke. Ich kann

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