Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
sonst wer sein!«
    Ich schweige. Du hast ja Recht, keine Frage.
    »Ich kann eine alte Schachtel sein«, fährt Vika erbarmungslos fort. »Ein Monster. Ein abartiger Kerl. Hast du das vergessen?«
    Nein, habe ich nicht.
    Aber dass sie ein Mann ist, kann ich mir einfach nicht vorstellen.
    »Mach keinen Mist, Ljonja! Verlieb dich nicht in ein Trugbild!«
    »Ich will dich ja nur wiedersehen.«
    »Komm in die Vergnügungen und verlange nach Vika«, entscheidet sie schließlich. »Ohne Auftrag. Okay?«
    »Wird die Madame da nicht sauer?«
    »Nein.«
    »Gut.« Ich berühre ihre Hand. »Abgemacht.«
    Wir trinken den restlichen Kaffee und essen die Brote auf. Vika sieht mich immer wieder an, sagt aber kein Wort.

    Von mir aus.
    Innerlich triumphiere ich jedoch. Innerlich bin ich konzentriert und sachlich.
    Innerlich bin ich wieder zwanzig und flirte mit einer kapriziösen Frau in meinem Alter.
    Nur dass ich im Unterschied zu dem jungen Mann von damals nicht ausschließlich ans Bett denke.
    Als wir gemeinsam den Garten verlassen, tauschen wir noch ein paar belanglose Floskeln aus. Die Tür steht direkt im Gras, was mich an eine Szene aus einem alten Kinderfilm erinnert. Vika öffnet sie und geht als Erste in die Diele des Puffs, ich folge ihr.
    Alles ist ruhig und leer.
    Die Besucher kriegen einander nie zu Gesicht – schließlich kommen Fuchs und Gans hierher, um sich verwöhnen zu lassen.
    »Ich muss los«, sagt Vika. »Mein Timer ruft.«
    Ich nicke. Klar, der Timer, der ist heilig.
    »Danke.«
    »Wofür?«
    »Für den gefallenen Stern.«
    Ich habe den Eindruck, sie will noch etwas sagen, aber ihr bleibt keine Zeit.
    Sie löst sich in Luft auf.
    »Auf Wiedersehen«, flüstere ich und gehe die Treppe hinunter. Im Foyer hat bereits ein anderer Typ Dienst, ich zwinkere ihm zu und steuere, ohne seine Reaktion abzuwarten, auf die Ausgangstür zu.
    »Revolvermann!«
    Ich drehe mich um.

    Madame steht auf dem oberen Treppenabsatz und lehnt sich aufs Geländer.
    »Ich glaube, Sie haben einen Fehler gemacht, als Sie zu uns gekommen sind, junger Mann.«
    »Vielleicht«, stimme ich ihr zu. »Aber das lässt sich nun nicht mehr ändern.«
    Madame seufzt und wendet sich ab.
    Soll sie.
    Auf den Deep-Explorer kann ich verzichten, da – wie ich bei meiner Flucht gestern Abend bemerkt habe – der Ein- und Ausgang des Labyrinths nur fünf Minuten zu Fuß voneinander entfernt liegen. Während ich durch die vertrauten abendlichen Straßen von Deeptown laufe, halte ich unablässig nach einem Hinterhalt Ausschau.
    Aber der Eifer meiner Verfolger muss nach der Jagd gestern verpufft sein. Vielleicht können sie sich einen weiteren Aufenthalt aber auch einfach nicht leisten.
    »Ich bin der Revolvermann!«, schreie ich, als ich in den purpurroten Nebel des Torbogens trete. Als sich die Blicke auf mich richten, lache ich und recke die Arme zu dem von Blitzen durchzuckten Steinbogen hoch. »Ich bin der Revolvermann! Der Revolvermann! Der Revolvermann!«

111
    Heute sind der Tod und ich eins.
    So was kommt vor.
    Ich ziehe mehr oder weniger offen durch die Levels, indem ich Monster abknalle und um die anderen Spieler einen großen Bogen mache. Genau wie die um mich.
    Abgesehen von denjenigen natürlich, die noch wegen gestern sauer auf mich sind, sowie von denjenigen, die sich schon immer für Helden gehalten haben.
    Aber die töte ich.
    Zweimal hätte man auch mich beinahe kaltgemacht. Beim ersten Mal verliere ich all meine Waffen, so dass ich zum Beginn des neunzehnten Levels, einer Wasseretappe, zurückkatapultiert werde. Zwanzig Mann haben sich da gegen mich zusammengeschlossen, wobei mir schleierhaft ist, wie die Server des Labyrinths es schaffen, all ihre Handlungen zu koordinieren.
    In meiner Wut bringe ich alle zwanzig um. Ich finde sie in den Sumpfpflanzen, die sich in der städtischen Kanalisation gebildet haben, und ziehe sie nacheinander unter Wasser, wo ich es bedeutend länger aushalte als sie,
weil ich zwischendrin den virtuellen Raum verlassen kann. Dem letzten – Tolik, wenn ich mich nicht täusche – schneide ich mit dem Hochblatt des rasiermesserscharfen außerirdischen Riedgrases die Kehle durch. Das hat es im Labyrinth bisher nicht gegeben: dass du zum Töten etwas anderes als Waffen benutzen kannst.
    Zum Schluss sammle ich ihre Ausrüstung ein und ziehe weiter.
    Im vierundzwanzigsten Level, einer Brücke zwischen den Industriegebieten und den Wohnvierteln Twilight Citys, holt mich Alex ein.
    Da bin ich gerade dabei, die

Weitere Kostenlose Bücher