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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
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platzenlasse. Er hat mich mit Gewalt zu diesem Treffen geschleift. Er hat mich ohne jede Erklärung ins Labyrinth geschickt. Und der Orden kann durchaus ein Bluff sein.
    »Ich muss über all das nachdenken.«
    »In Ordnung«, willigt Urmann ein. »Fünf Stunden scheinen uns wohl noch zu bleiben. Ich nehme an, Sie wollen dem Labyrinth erst noch einmal einen Besuch abstatten?«
    Ich nicke vage.
    »Ich werde die Hände in der Zwischenzeit auch nicht in den Schoß legen«, kündigt Urmann an. »Das wird Ihnen nicht entgehen, Diver. Dann können Sie Ihre Wahl treffen.«

    »Reichlich nebulös, Friedrich.«
    Urmann runzelt verständnislos die Stirn, weil das Übersetzungsprogramm eine Weile braucht, um zu begreifen, dass ich nicht vom Wetter spreche.
    »Warum bin ich für Sie so wertvoll?«
    »Das werden Sie schon noch verstehen, mein lieber Iwan Zarewitsch. Ach ja, was für eine Nationalität hat der Schwimmer eigentlich? Ihrer Ansicht nach.«
    »Er ist Russe«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
    »Schon möglich, wer weiß«, erwidert Urmann amüsiert. »Und nun: Do swidanija, Diver. Lassen Sie sich mein Angebot durch den Kopf gehen und treffen Sie Ihre Entscheidung.«
    Bei diesen Worten gleitet die Tür auseinander und die Security-Leute tauchen auf. Diesmal haben sie ihre Schwerter nicht gezückt.
    »Man wird Sie zur Brücke bringen«, teilt Urmann mir mit.

10
    Entweder folgt mir niemand oder dieser jemand macht das dermaßen geschickt, dass Vika keinen Alarm auslöst. Unter den Blicken der Security-Leute erklimme ich allein die Stufen hoch zur Mauer und betrete die Haarbrücke.
    Wie viele Meter ich wohl schaffe, ohne die Tiefe zu verlassen?
    Ich wage einen Schritt, dann noch einen. Der Faden vibriert, mir wird schwindlig. Hunderte von Metern unter mir schlängelt sich das blaue Band des Flusses über den Felsgrund, an dem jetzt auch Lavaseen mit orangefarbener Glut leuchten.
    »He, Diver, du schwankst ja ganz schön!«, erschallt es vergnügt hinter mir.
    Aber da schwanke ich bereits nicht mehr, da stürze ich schon.
    Wahrscheinlich stürzen so die sündigen Moslems ab, wenn sie versuchen, in ihr Paradies, zu den zärtlichen Jungfrauen zu gelangen, dorthin, wo Milch und Honig fließen.

    Im Fallen greife ich nach dem Haar – das mir seelenruhig die Finger absäbelt. Kalte Luft peitscht mir ins Gesicht und drückt mich nach unten. Die Felsen unter mir rotieren, wachsen in die Höhe und sträuben ihre Gipfel. Sobald ich einen Stein berühre, wird der Server von Al Kabar meinen Tod melden. Daraufhin wird das Deep-Programm den Austritt aus dem virtuellen Raum einleiten.
    Es interessiert mich aber überhaupt nicht, welche Todesqualen meine Fantasie diesmal bereithält.
    Tiefe, Tiefe, ich bin nicht dein …
    Auf den Displays sah ich nur Blut. Das übliche Bild.
    Ich nahm den Helm ab, beugte mich über den Tisch und zog das Kabel aus der Telefonbuchse.
    »Die Verbindung wurde unterbrochen!«, erklärte Vika. »Es gibt kein akustisches Signal! Überprüfe den Anschluss!«
    »Es ist alles okay«, murmelte ich und steckte das Kabel wieder rein. »Reboote!«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Den Monitor nahm eine blaue Fläche ein, vor deren Hintergrund ein Mensch zu Boden fiel. Ich fühlte mich mies.
    Ich war da in eine verdammt ernste Geschichte reingeschlittert. Wenn Al Kabar, das Labyrinth und diejenigen, die hinter dem Mann Ohne Gesicht standen, erst mal wegen dem Loser aneinandergeraten würden, dann gute Nacht! Wenn ich da bloß nicht zwischen die Fronten geriet! Am klügsten wäre es vermutlich, den virtuellen Raum für die nächsten paar Wochen zu vergessen. Normale Spiele zu spielen, mit Maniac Bier zu trinken, meine
Kiste endlich upzugraden, nach Antalya zu fliegen, wo es noch warm war, und im Meer zu baden.
    Natürlich müsste ich auch Vika vergessen. Die richtige Vika. Für sehr lange.
    Und ich müsste für immer vom Orden der Allmächtigkeit Abschied nehmen.
    Genauso wie ich mir den Loser aus dem Kopf schlagen müsste, logisch.
    Wer war er denn, dass ich mir derartige Sorgen um ihn machte? Ein homo computerensis ? Ein Computermensch, der ohne Modem in den virtuellen Raum eintreten konnte? Und selbst wenn? Durfte ich dann etwa darauf hoffen, dass sich seine Fähigkeit – falls es sie überhaupt gab – auf mich übertragen würde?!
    Nein, alle möglichen Spezialisten würden ihn sich unter den Nagel reißen. Sie würden Enzephalogramme erstellen und jeden denkbaren und undenkbaren Wert messen. Der

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