Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukianenko Sergej
Vom Netzwerk:
Loser würde vor verschiedene Rechner gesetzt, an Modems angeschlossen und wieder abgestöpselt, mit Telefonleitungen verbunden und in unterirdischen Bunkern versteckt. Und dann hieße es: Nun geh mal hübsch in die Tiefe ! Sag uns, was du fühlst! Was spürst du in deinem linken großen Zeh, wenn du in den virtuellen Raum eintrittst? Und wie verändert sich dein Stuhlgang nach drei Tagen in der virtuellen Welt? Er würde den Rest seines Lebens irgendwo in einer bewachten Villa in der Schweiz verbringen oder in der Wüste von Texas, in irgendeinem Forschungszentrum der CIA. Als extrem wertvolles und hochgeschätztes Meerschweinchen.

    Dabei war er Russe, wahrscheinlich sogar russischer Staatsbürger. Was, wenn ich eine Information über ihn ins Netz stellen oder den entsprechenden Organen zuspielen würde?
    Ich musste selbst über meine Naivität lachen. Ja und? Würde Mütterchen Russland etwa Flugzeugträger und Panzerbrigaden schicken, um den Loser zu retten? Als ob nicht schon genug begabte Programmierer aus dem Land gebracht worden waren! Was war denn zum Beispiel mit dem vierzehnjährigen Schura Morosow aus Woronesh, der mit einem Sonderflug rausgeschmuggelt worden war? Niemand bei uns braucht unsere Hirne. Und selbst wenn der Geheimdienst etwas von seiner früheren Entschlossenheit an den Tag legen und den Loser schnappen würde – dann doch nur, um ihn in einem eigenen Forschungszentrum irgendwo in Sibirien oder im Ural wegzusperren.
    Als die Tiefe entstanden war, hatte sie sich die Freiheit auf ihr Banner geschrieben.
    Wir wollten unabhängig von korrupten Regierungen, überholten Religionen und puritanischer Moral sein. Wir wollten in allem und jederzeit frei sein. Mit Informationen durfte nicht hinterm Berg gehalten werden, und wir hatten das Recht, über alles zu sprechen. Die Bewegungsfreiheit durfte nicht eingeschränkt werden, Deeptown sollte keine Grenzen kennen. Wir wollten auf unserm Recht bestehen, in den Genuss aller Rechte zu kommen. Wir würden aus unseren Reihen nur diejenigen vertreiben, die gegen die Freiheit auftraten.
    Wie naiv und enthusiastisch wir waren!

    Wir Menschen einer neuen Welt, einer Cyberspace-Welt! Wir Menschen eines freien und grenzenlosen Raums!
    Berauscht von dieser Freiheit haben wir mit ihr ausgelassen und stolz gespielt, ganz wie ein Kind, das nach langer Krankheit vom Bett aufsteht. Wir gaben alles für die Tiefe , taten alles in ihrem Namen, für jetzt und alle Ewigkeit. Amen.
    Aber warum glaubte ich an diese Losungen dann immer noch mit der gleichen Bereitschaft, mit der ich als kleiner Junge an den Kommunismus geglaubt hatte?
    Warum wollte ich unbedingt daran glauben – allen zum Trotz?
    Ich, der ich Gesetze brach, in fremden Rechnern wütete, fremdes geistiges Eigentum klaute, meiner bettelarmen Heimat keine Steuern zahlte und bis auf ein paar Freunden niemandem traute – ich glaubte an etwas Warmes, Reines und Ewiges? An Freiheit, Güte und Liebe?
    Wahrscheinlich war ich einfach aus diesem Holz geschnitzt und konnte gar nicht anders.
    Abgesehen davon hinderte mich ja niemand daran, weiterhin an die Freiheit zu glauben. Wenn ich erst mal ein paar Tage in der realen Welt abgesessen haben würde, könnte ich mir neue Verbindungskanäle in die Tiefe besorgen und meine Netzadresse ändern.
    Zu glauben war verdammt einfach.
    Ich starrte auf das dreidimensionale Gitter des Norton-Commanders, auf die gleichmäßigen Zeilen der Verzeichnisse und Unterverzeichnisse. Die Speicherkapazität war schnell erschöpft, da reichten schon Dienstprogramme, Viren- und Antiviren-Programme, Vikas »Bewusstsein«,
Musikdateien und Spiele, geklaute Daten und frische Bücher, die die Druckerei noch nicht verlassen hatten. Zum Beispiel Cyberpunk wie Herzen und Motoren in Bewegung , der allerneueste Krimi oder eine Space Opera. Warum besorgte ich mir nicht einfach Unmengen von Bier, druckte auf meinem alten Laser Jet ein paar der Bücher aus und haute mich damit aufs Sofa? Oder schlief mal richtig aus? Sollten sich doch Herr Urmann, der Mann Ohne Gesicht und Guillermo alias Willy in aller Ruhe wegen dem Loser die Köpfe einschlagen!
    Schließlich hatte ich noch nie was für Blödmänner und Kamikazetypen übriggehabt.
    Ich nahm das Telefon vom Tower und wählte Maniacs Nummer. Auch diesmal hatte ich Glück, er trieb sich weder im virtuellen Raum rum noch schlief er.
    »Hallo!«
    »Hallo, Schura, ich bin’s.«
    »Ah …« Maniac senkte die Stimme.
    »Störe ich?«
    »Also … ein

Weitere Kostenlose Bücher