Labyrinth der Spiegel
seiner Umgebung, die aus winzigen Fetzen zusammengesetzt zu sein scheint. Jeder Fetzen ist ein Server, über den ein bestimmter Abschnitt im Raum läuft. Über diesen Fetzen liegt eine feine, rote Schicht, das sind die Eingangsserver, die Telefonverbindungen, über die man in die Tiefe gelangt.
Das sieht gut aus. Aber alle Bonzen geben nun mal gern an.
»Man kann sich die Daten zu den einzelnen Bezirken ansehen«, erläutert Urmann. »Hier zum Beispiel …«
Er tritt an den Bildschirm heran, reckt sich und zeigt mit dem Finger auf das Viertel Al Kabar. Über dem Bildschirm lodert eine Tafel auf. 1036/1035. »Sie wissen, wie das zu verstehen ist?«
»In diesem virtuellen Raum sind gerade eintausendundsechsunddreißig Menschen. Mich inbegriffen. Und alle bis auf mich sind über Ihre Kanäle gekommen.«
»So ist es. Es wäre zu riskant, geheime Informationen über fremde Kanäle laufen zu lassen, selbst wenn es noch so zuverlässige Provider sind. Deshalb unterhalten wir in den zwölf Städten, wo unsere Mitarbeiter leben, eigene Kanäle.«
Aber wie konnten sie dann überhaupt auf den Loser stoßen?! Ich trete an die Karte heran, suche das Restaurant Die drei kleinen Schweinchen , besinne mich gerade noch rechtzeitig eines Besseren und zeige mit dem Finger auf ein anderes Gebäude, ganz in der Nähe. Da bin ich nur ein paarmal gewesen, das Ding hat mir nicht gefallen. Zu laut und zu aufgemotzt.
63/2.
»Das ist doch sozusagen das Standardbild, oder?«, sage ich. »Im Restaurant befinden sich dreiundsechzig Personen, aber nur zwei davon sind über die restauranteigene Telefonverbindung ins Netz gekommen.«
Urmann nickt.
»Genau wie die Spieler im Labyrinth auf ganz unterschiedlichen Wegen dorthin gelangen.«
Ich vergesse, dass ich es mit einem gerissenen und potenziell feindlich gesinnten Mann zu tun habe. Ich will jetzt einfach wissen, wie sie ausgerechnet den einen Mann entdeckt haben, der nie in die Tiefe eingetreten ist.
»Also … jedes einzelne Signal zu verfolgen, bringt nichts. Das dauert lange, ist teuer und obendrein verboten.«
Urmann sieht mich mit einer Selbstzufriedenheit an, als habe er selbst das Problem geknackt und nicht bloß seinen Experten den entsprechenden Befehlt erteilt.
Dann wollen wir mal nachdenken! Manchmal führt das ja zu was.
Also: Wir haben elektrische Impulse. Zunächst spielt es keine Rolle, woher sie kommen. Sie sind für die schlichte dreidimensionale Darstellung eines Menschen verantwortlich. Zum Beispiel vom Loser. Diese Daten werden auf den
Rechner überspielt, über den das dreiunddreißigste Level des Labyrinths läuft, eventuell über ein Modem, eventuell aber auch direkt in den Prozessor. Der Computer projiziert die Darstellung an den Beginn des Levels, steuert die Bewegungen des Losers, übermittelt seine Stimme an die übrigen Spieler, berechnet die Wirkung seiner Schüsse und bewegt die Steine, gegen die er tritt. Und natürlich muss der Rechner die Bilder übertragen, die der Loser mit dem linken und dem rechten Auge wahrnimmt, die Geräusche, die er hört, und die Schläge, die er mit dem Sensoranzug spürt.
Halt! Wohin übermittelt der Computer das? Wenn der Loser nicht in die Tiefe gekommen ist?
Hier liegt der Hase im Pfeffer. Der Rechner verarbeitet die Handlungen des Losers, aber er weiß nicht, woher sie kommen und wohin er die Ergebnisse senden soll. Hat das Folgen für den Server? Unbedingt! Wenn auch ganz spezifische. Zum Beispiel dürfte sich das Verhältnis der vom Prozessor verarbeiteten Gesamtdaten zur Menge der über das Modem empfangenen und gesandten Daten ändern. Man müsste also erst mal den Standardwert für dieses Verhältnis in Erfahrung bringen und dann alle Server ein paar Stunden beobachten. Irgendwann hätte man den ermittelt, über den der ungebetene Gast läuft.
»Sie müssen auf ihn gewartet haben!«, bringe ich heraus. »Sie müssen gewusst haben, dass er kommt!«
»Wir haben diese Möglichkeit nie ausgeschlossen«, stellt Urmann richtig. »Früher oder später musste jemand auftauchen, der eigenständig in den virtuellen Raum einzudringen vermag.«
»Ohne Computer?« Ich stelle damit jenen Unsinn in den Raum, den alle – und das ist der Witz an der Sache –, die kaum was von Rechnern und vom Netz verstehen, völlig einleuchtend finden. Nur dass man sich da auch gleich einen Menschen vorstellen könnte, der sich an eine Telefonbuchse anschließt. Das ist doch total bekloppt!
Aber was immer man von Urmann, der nur ein
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