Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
gemacht und mir meinen Lebenswillen zurückgegeben. Wie sie werde ich niemals aufgeben, bis zum letzten Herzschlag, bis zum letzten Atemzug.
Danke, dass Sie meinen Weg mit mir gehen, und danke, dass Sie dabei meine Hand halten, wie damals Jens. Danke für so viel Menschlichkeit und Freundschaft.
Egal, was nun geschieht, Amelia, denken Sie immer daran: Wir haben ihn besiegt. Nicht mit dem Skalpell, nicht mit Medikamenten, Hormonen oder Strahlen.
Nein, Amelia, mit Würde. Sie erhebt uns über ihn.
Shainee
Gerührt starrte Amelia auf die sehr persönliche Widmung, dann besann sie sich und klappte das Buch zu.
Okay, die Post. Da war der große Briefumschlag vom UCSF Medical Center. Während ihr Rechner mit dem hochauflösenden Bildschirm hochfuhr, öffnete Amelia den Umschlag und zog die Unterlagen heraus. Ein Stapel Hochglanzausdrucke der letzten MRT zur Überwachung der Leberhämangiome und die DVD mit den Bildern.
Prima, und los ging’s.
Amelia legte die Patientenakte mit den Befunden zur Seite und schob die DVD in den Rechner. Die Mammografien, Sonografien, Szintigramme und das Blutbild mit den erhöhten Tumormarkern aus der Patientenakte hatte sie sich gestern Nachmittag nochmals angesehen.
Die Tumormarker machten ihr wirklich Sorgen. Kleine Tumore konnten mit dieser Methode gar nicht oder zu spät erkannt werden. Auch war nicht bei jedem Rezidiv ein Anstieg der Marker zu messen. Genau so war es vor zwei Jahren bei Jennifer gewesen. Amelias Blick huschte zum digitalen Bilderrahmen mit den Fotos von Jen auf ihrem Schreibtisch.
Okay, das Programm hatte sich jetzt installiert. Die Bilder wurden gerade in den Arbeitsspeicher gelesen. Ungeduldig beobachtete sie, wie der Balken von 50 % auf 75 % sprang und bei 100 % plötzlich verschwand, als sich das Programm öffnete.
Da war das Menü mit den Bildserien. Sie wählte diejenige aus, die sie sich ansehen wollte, und zoomte sie größer. Okay, so war’s gut. Mit dem Mausrädchen ließ sie die Bilder nacheinander wie eine Filmsequenz ablaufen und fuhr auf diese Weise von der Brust bis zum Unterleib durch Shainee Rykers Körper.
Stop, da kam die Leber ins Bild! Langsam jetzt! Da war das erste Hämangiom, groß wie ein Golfball. Amelia maß nach und verglich die Größe mit dem Bericht des Radiologischen Zentrums vom letzten Jahr. Minimal gewachsen. Okay, weiter. Da kam schon das nächste. Auch okay. Und das übernächste. Völlig in Ordnung. Sie zog den Bericht des UCSF Medical Center aus dem Umschlag und überflog ihn. Kein Anhalt für metastasenverdächtige Befunde an der Leber, stand da. Na toll. Amelias Blick fiel auf die Unterschrift. Dr Mandy Margolis, Radiologin.
Sie atmete tief durch, denn es tat immer noch weh. Dr Margolis hatte vor zwei Jahren auch Jen untersucht. Und nichts gefunden.
Ein überwältigendes Gefühl von ohnmächtiger Wut stieg wieder in ihr auf, als sie an Jens qualvolles Sterben dachte. Nein, nein, nein!
Noch mal die Bilder! Die Erhöhung der Tumormarker konnte auf Entzündungen an inneren Organen zurückzuführen sein. Aber nein, die Leber war tatsächlich völlig in Ordnung. Die Bauchspeicheldrüse auch. Der Darm ebenso. Und die Nieren. Alles okay. Shainee Ryker trank nicht, rauchte nicht und nahm keine Drogen. Also? Wie stand es im Lehrbuch? Bei einer bekannten Krebserkrankung und erhöhten Tumormarkern muss immer ein neuerliches Tumorwachstum in Betracht gezogen werden.
Aber wo?
Also noch mal von vorn. Amelia ließ die Bilder rückwärts durchlaufen. Da war die Gebärmutter, der Darm, dort kam die Leber ins Bild und hier der Magen, dies war die Lunge und das dort war das Herz.
Und was war das? Da, neben dem Herzen?
Auf den letzten fünf Fotos, am äußersten Rand der MRT-Sequenz, war ein schwarzer Schatten zu sehen. Amelia ließ die Fotos erneut als Film durchlaufen, bis zum Ende.
Ja, da! Wo man nicht mehr danach suchen würde!
Eine Metastase in der Lunge.
Verdammt!
Wie bei Jen. So ging’s bei ihr los. Ein Lymphknoten war durchgebrochen, und der Brustkrebs hatte in den Körper gestreut.
Amelia zog den digitalen Bilderrahmen mit den weich überblendenden Aufnahmen von Jens süßem Mona Lisa-Lächeln zu sich heran.
Dr Jennifer Lovell. Ihre beste Freundin, ihre Partnerin in der Praxis, ihre Lebesgefährtin, ihre große Liebe. Amelias Augen schwammen plötzlich in Tränen, und ihre Kehle wurde ihr eng, als sie sich daran erinnere, wie Jen und sie mit dem Todesurteil gelebt hatten, jeden Tag und jede Nacht.
Weitere Kostenlose Bücher