Lackschaden
un sie war auch im Angebot. Musst de dir kaan Kopp mache. Und wart ab, wenn die erst drin ist, wirst de sehe, wie gut die passt. Isch mach mich direkt an die Arbeit. Erst muss des kalte weiße Teil ema raus!«
Am liebsten würde ich schreien: »Nein, Rudi, das erlaube ich nicht!« Aber stattdessen sage ich nur: »Ja, da wartest du doch am besten bis Christoph kommt, und ihr Kerle erledigt das dann zusammen.«
Ich habe alles gegeben. Ihm die komplette Freude über dieses Einzugsgeschenk zu nehmen – das kann mal schön sein Sohn machen. Und eines ist sicher: Diese Tür wird Christoph nicht gefallen. Christoph mag keinen Kitsch. Auch auf Deko-Artikel steht er nicht besonders.
»Bauhaus, das hat Klasse, Andrea!«, predigt er gerne. Das mag sein, aber mit zwei Kindern und Hund eine derart puristische Atmosphäre zu erhalten, ist ein wenig schwierig.
Ich helfe Rudi, die immens schwere Tür ins Haus zu schleppen.
»Es wär schad, wenn die aaner mitgehe lässt«, meint Rudi, und ich sage einfach nichts dazu. Wer sollte diese Tür schon mitgehen lassen?
»Magst du was essen?«, frage ich Rudi.
Mit gutem Appetit macht er sich über die Reste des Mittagessens her.
»Gar net übel«, lautet sein Urteil, »aber bei maaener Inge gab’s die Eier immer separat. Net in de Soss drin!«
Ich erspare mir einen Kommentar und bin froh, dass er eine große Portion verputzt. Trotz des Eierfauxpas’.
»Hast du die Rede schon fertisch?«, fragt er, und ich stutze kurz. Welche Rede?
»Meine Trauerrede – es wär werklisch gut, wenn de disch bald ransetzt. Mer weiß nie, wie lange des mit mir noch gut geht. Isch habe escht einiges vorbereitet, des werd dir net mer viel Arbeit mache.«
Es ist an der Zeit für ein paar klare Worte.
»Rudi«, beginne ich meine kleine Ansprache, »dir geht es doch gut. Ich will mich nicht mit deiner Trauerrede beschäftigen, weil ich nicht glaube und hoffe, dass du bald stirbst. Ich freue mich, wenn es dir gut geht und halte das alles für etwas verfrüht.«
Ich lege ihm einen Arm um die Schultern und streichle sanft seinen Oberarm.
»Wir wollen noch lange was von dir haben. Wenn du dich so sorgst, dann gehe ich gerne mal mit dir zum Arzt. Aber du wirkst eigentlich nicht krank. Hast du denn irgendwo Schmerzen?«
Er macht ein sanftes Stöhn-Geräusch und antwortet mit seiner leisen Stimme: »Isch will dich damit net belasten, aber hier«, er fasst sich an den Brustkorb, »is schon ein immenser Druck. Glaub mir, isch kenn misch. Mer merkt, wenn die Zeit abgelaufe is. Un es macht mer aach nix. Ohne meine Inge is halt alles net mer so wie es ma war!« Er schnieft und schon rollen die Tränen.
Mein Gott, was habe ich da angestellt. Eben war ich noch froh über seine neu erwachte Türschloss-Baumarkt-Tatkraft, und jetzt habe ich ihn durch meine unbedachten Äußerungen wieder zurück in seine Trauerecke getrieben.
»Komm her!«, fordere ich ihn auf und nehme ihn in den Arm.
Was gibt es schon für einen Trost? Was soll man sagen? Seine geliebte Frau ist tot, und ich glaube nicht, dass da Sprüche wie »Die Zeit heilt alle Wunden« helfen können. Aus Solidarität und weil er mich so anrührt, fange ich gleich an mitzuweinen.
Heute scheint mein Heultag zu sein.
»Ruh dich doch ein bisschen aus«, schlage ich Rudi vor, schließlich hat auch mir der Mittagsschlaf geholfen. Vielleicht lege ich mich gleich auch noch eine Runde hin. Es erscheint mir die beste Möglichkeit, den heutigen Tag rumzukriegen.
»Mama, hast du meine Turnschuhe gefunden?«, ruft mein Sohn, und Rudi löst sich erschrocken aus der Umarmung. Vor den Kindern gibt er gerne den tapferen Opa.
»Nein«, antworte ich, »ich habe allerdings auch nicht danach gesucht. Wieso auch, ich habe sie ja auch nicht verschlampt. Und – es sind auch nicht meine – sondern deine Schuhe.«
»Ich muss nachher zum Training, was soll ich denn da anziehen?«, fragt mein Sohn nach, ohne auch nur im Geringsten auf meine Antwort einzugehen.
»Wie wär’s mit meinen Joggingschuhen!«, schlage ich vor.
»Die habe ich noch in der Schule«, kommt es ein wenig kleinlaut zurück.
Ich rege mich nicht auf. Nein, ich rege mich nicht auf. Auf keinen Fall werde ich mich aufregen.
»Verdammt nochmal«, schreie ich und rege mich doch auf. Was für einen Volltrottel habe ich da großgezogen?
Jetzt nimmt zur Abwechslung Rudi mich in den Arm.
»Ruhisch, Andrea, ganz ruhisch, des werd schon werden. Mer schaffe des schon. Es sin doch nur Schuh.«
Ich muss hier
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