Lackschaden
perfekt zu verbergen. Ich versuche, die verdammte Pubertät nicht persönlich zu nehmen (schließlich lautet so die Empfehlung aller einschlägigen Experten), aber es fällt mir schwer. Immerhin bin ich die Person, die ignoriert oder angemotzt wird. Christoph bekommt um einiges weniger ab. Er ist einfach zu selten da und wenn er dann mal da ist, hat er keine Lust auf Auseinandersetzungen. Ich kann das durchaus verstehen, würde ein Mehr an Unterstützung aber begrüßen. Vielleicht ist es ein grundlegender Fehler, solche Gedanken nur zu haben, sie aber nicht deutlich zu äußern. Solange keine Beschwerden kommen, ändern sich die Wenigsten. Wieso auch? Würde mir auch nicht einfallen.
Zur Lack-Ist-Ab-Liste in meinem Kopf addiere ich meinen Job. Als ich vor einigen Jahren begonnen habe, in einer kleinen Agentur Werbetexte zu schreiben, dachte ich noch, das sei mein beruflicher Jackpot. Die Zeiten sind lange vorbei. Der Druck ist groß, die Bezahlung hingegen klein. Dazu kommt, dass es kaum eine Branche gibt, in der man sich als Frau schneller alt fühlt als in dieser. Werberinnen sind jung und hip – ansonsten werden sie erst mal ins Hinterzimmer verbannt (ohne Kundenkontakt) und irgendwann durch eine Eben-Noch-Praktikantin, jetzt Juniortexterin, ersetzt. Das klingt sehr bitter, ich weiß das, aber es ist auch sehr bitter. Und sehr wahr. Lange wird es bei mir auch nicht mehr dauern.
Ich biege ins Parkhaus Goetheplatz ein und will mich auf einen der Frauenparkplätze stellen. Natürlich, wie sollte es an einem Tag wie diesem auch anders sein, biegt vor mir ein Typ mit einem fetten Jaguar in die Lücke. Das wird er bereuen, denke ich. Nicht heute – und vor allem heute nicht mit mir. Als erste kleine Warnung drücke ich auf die Hupe. Der Blödmann dreht sich nicht mal um. Einen Mann wie ihn hupt man anscheinend nicht an. Ich fahre bis direkt vor sein Auto, steige aus und schreie sofort los.
»Sind Sie umoperiert oder können Sie nicht lesen? Das ist ein Frauenparkplatz.«
Jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit. Er dreht sich zu mir um und zuckt nur gelangweilt mit den Schultern. Alles, was ich an Testosteron in meinem Körper habe, will raus.
»Hey, verdammt, das ist ein Frauenparkplatz. Sie sind keine Frau, also weg da!«
Jetzt grinst er auch noch. »Ganz ruhig, entspann dich mal!«, antwortet er.
Der duzt mich einfach. Sicherlich nicht, weil ich so bezaubernd jung aussehe, sondern eher, weil er die Machtverhältnisse klarstellen will. Der tickt wohl nicht mehr richtig. Ich bin froh, dass ich generell keine Waffe bei mir trage. Ich wäre mir nicht sicher, ob ich nicht vielleicht etwas Unbedachtes tun würde. So ein Verhalten nervt mich grundsätzlich immer, nur dass ich normalerweise darüber hinwegsehe. Du hast viel zu lange alles geschluckt, ermuntere ich mich selbst, der hier kommt dir genau richtig. Ich stelle mich dem Mann in den Weg.
»Raus aus der Parklücke!«, sage ich in einem Ton, in dem man Ultimaten stellt. Ich höre mich wirklich furchterregend an.
»Du brauchst ehrlich professionelle Hilfe!«, kontert der Typ total cool, streicht sich durch sein gegeltes Haar und geht an mir vorbei.
Am liebsten würde ich ihn von hinten anspringen und ihm ein paar verpassen. Er ist allerdings ziemlich groß und wirkt auch eher breitschultrig, also entscheide ich mich gegen einen Angriff.
»Du bist wirklich ein Riesenarschloch!«, schreie ich ihm noch hinterher. Zugegebenermaßen ein gutaussehendes Arschloch.
Er dreht sich kurz um und ruft: »Sind das die Wechseljahre oder brauchst du mal wieder einen ordentlichen Fick?«
Das macht mich noch zorniger. Theoretisch ist er auf der richtigen Spur, aber das macht die Sache nicht besser. Ich meine, wer von uns beiden ist denn hier der Parkplatzdieb? Das kann ich unmöglich auf mir sitzen lassen. Betont ruhig parke ich mein Auto drei Plätze weiter (das Parkhaus ist nicht wirklich voll) und gehe dann zum Ausgang und versuche dabei die Lage der Kameras zu checken. Ich entdecke zwei und überlege, ob man von dort aus die Frauenparkplätze sehen kann. Würde ja Sinn machen. Und wenn schon. Ich muss nur schnell sein.
Ich nehme meinen Autoschlüssel, gehe zurück zu meinem Auto, so als hätte ich etwas vergessen, greife mir dabei noch demonstrativ an die Stirn (nach dem Motto: Was man nicht im Kopf hat …) und krame ein bisschen auf dem Beifahrersitz rum. Dann steige ich wieder aus und schlängele mich zwischen den geparkten Autos hindurch. Als ich an seinem
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