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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Abend werden wir reden. Oder Sex haben. Oder erst reden und dann Sex haben. Obwohl es wahrscheinlich andersrum mehr Sinn macht. Erst Sex – dann reden.
    »Hast du mal daheim angerufen?«, will mein Mann auf dem Weg zum Zimmer wissen.
    »Ne, du?«, frage ich zurück, um klar und deutlich zu zeigen, dass das nicht automatisch in mein Aufgabengebiet fällt. Sein Vater, seine Tochter – das wäre doch auch mal einen Anruf wert. Trotzdem habe ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen:
    »Ich dachte morgen reicht. Da hat Claudia ihren ersten Arbeitstag und dann wirkt das auch nicht so kontrollmäßig.«
    »Unserem Fräulein Tochter schadet Kontrolle sicher nicht. Ich hätte selbstverständlich gedacht, dass du anrufst. Ich kann ja schlecht auf dem Golfplatz telefonieren!«, beklagt er sich.
    Vorwürfe, Missverständnisse und kein Sex – eine tolle Kombination. Ein gemeinsamer Lebensabend in der Seniorenwohnanlage rückt gerade in weite Ferne. Ich habe Kopfweh und überhaupt keine Lust auf Fritz und Co.
    »Ich glaube, ich bleibe auf dem Zimmer. Ich hab ein bisschen Kopfweh, vielleicht sollte ich mich eine Weile hinlegen!«
    Christoph findet das kindisch.
    »Du hast doch am Strand schon gepennt. Gib wenigstens zu, dass du keine Lust hast!«, meckert er.
    »Ich habe keine Lust auf diese Gruppe, die ich mir nicht ausgesucht habe, und ich habe wirklich Kopfweh. Also wo ist dein Problem?«, sage ich zur Abwechslung einfach mal die Wahrheit. »Du hattest ja auch kein Problem damit, den halben Tag ohne mich zu verbringen!«, lege ich noch nach. Stimmt ja auch.
    »Ah, daher weht der Wind. Madame ist beleidigt, weil ich Golfen war. Und das ist jetzt die Strafe. Aber eins sage ich dir, Andrea: Sieh mal lieber zu, dass du dich nicht selbst bestrafst mit deinem albernen Verhalten. Das ist ja Kindergartenniveau.«
    Keine Ahnung, woher er weiß, was Kindergartenniveau ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass er die Kinder besonders häufig hingebracht oder abgeholt hätte. Außerdem gibt es meines Wissens nach keine Altersbeschränkung fürs Beleidigtsein.
    »Ich gehe jedenfalls jetzt. Du kannst dir ja überlegen, ob du noch kommst oder lieber schmollend im Zimmer sitzt!«, ergänzt er noch und ich fühle mich behandelt wie ein Kleinkind.
    »Ich muss mit dir reden! Wir müssen reden!«, mache ich eine klare Ansage.
    »Da haben wir nachher ja noch Zeit genug, so eilig kann das ja nicht sein!«, antwortet er. »Ich gehe jetzt zum Pool. Ich habe Lust, ein bisschen zu schwimmen.«
    Ich, ich, ich. Und was ist mit mir? Interessiert ihn das? Ich will schreien, heulen und hauen. Am liebsten alles auf einmal. Tatsächlich mache ich aber nichts von alledem. Was würde ein Streit schon bringen? Irgendwie ist mir auch nicht nach Streiten. Wenn wir wenigstens streiten würden – das wäre immerhin schon mal etwas. Emotion, Aufregung – aber nicht mal dafür langt es. Die Stimmung hat eher etwas Lähmendes, Aussichtsloses. Ich schaue aus dem Fenster, sehe die strahlende Sonne und in mir ist November. Trüb, grau und unangenehm. Ich merke, wie mir die Tränen aufsteigen. Ich fühle mich unverstanden und nicht wertgeschätzt. Dass mein eigener Mann jede andere dämliche Gesellschaft meiner vorzieht, ist so verdammt ernüchternd. Er sollte doch merken, was mir wichtig ist. Nach all den Jahren muss er doch erkennen, wann es drauf ankommt, Präsenz zu zeigen. Er geht.
    »Bis später!«, sagt er noch.
     
    Ich sitze im Zimmer und weine. Einfach so vor mich hin. Ich weine und weine und wundere mich, wo all die Tränen herkommen. Ich weine um eine Beziehung, die mir nicht mehr wie eine vorkommt. Was sind wir zwei? Ein Ehepaar? Eine Gemeinschaft? Oder nur zwei Erwachsene, die irgendwann mal ineinander verliebt waren? Wir leben in separaten Welten, die sich nur ab und an überschneiden, hauptsächlich dann, wenn es um logistische Fragen geht.
    Was will ich? Wo soll es hingehen in meinem Leben?
    Die immergleichen Fragen rasen durch meinen Kopf. Ich möchte mich in Arme werfen, in starke Arme, möchte gehalten und geliebt werden. Nicht für das, was ich tue, sondern für das, was ich bin – wie ich bin. Ist das so abwegig? Vermessen? Ich bin doch eine liebenswerte Person, oder etwa nicht?
    Ich lege mich ins Bett, halte es da aber nicht lange aus. Es ist heiß. Im Zimmer und in meinem Körper. Vor allem in meinem Körper. Selbst der lässt mich im Stich. Statt mich zu unterstützen, zieht er mich noch mehr runter. Wie schaffen es andere Frauen,

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