Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)
ausgetrocknet und gerissen, gnadenlos hinter halb herab gefallenen Lidern hervorlauerten, nie mehr vergessen. Eine knochige Hand kam auf ihn zu.
Gurth , der erwachsene Gurth, konnte heute über die übersteigerte Phantasie des zu Tode erschrockenen Jungen lächeln. Er erinnerte sich gut daran, dass diese Phantasie sich in diesem Augenblick wie ein Drahtseil gespannt hatte und sich mit schrillem Pfeifen dem Punkt zu nähern begann, an dem sie zerreißen musste. Aber dieses Lächeln heute entbehrte jeder Verachtung, mit denen Erwachsene die Wahrnehmungen von Kindern zu verharmlosen pflegen. Auch der heutige Gurth konnte die Panik des damals Zehnjährigen nur zu gut verstehen.
An das, was dann passierte, erinnerte er sich nur in Bruchstücken und nicht gerne. Gurth ließ alles los und fiel wie ein Stein von dem Holzbock. In solchen Augenblicken erkennt man, was Freunde wert sind. Die zwei anderen Jungen fragten nicht lange, packten Gurth und zerrten ihn aus dem Sarglager, weg von all diesen kommerziellen Zeugen menschlicher Vergänglichkeit und von dem, was augenscheinlich lebte, aber es nicht sollte.
In späteren Jahren kam Gurth die Frage immer wieder einmal hoch, warum dieser Tote überhaupt im Sarglager gelegen hatte, ob er vielleicht eine dieser versteckt lebenden Nazigrößen gewesen war, die man heimlich verscharren musste, und sich die Firma Krampe dazu hergab? Oder war er ein eher bedauernswertes Opfer der Mafia gewesen, das Krampe verschwinden lassen sollte, für gutes Geld versteht sich?
Und gerade eine Firma Krampe hatte ihn und die halbe NATO in die Heide eingeladen. Nur, dass sich heute hinter dem Namen Krampe jene Institute und internationalen Konzerne verbargen, die eine Waffe von solcher Komplexität einfach braucht, um entwickelt zu werden. Sie tarnten sich wie immer hinter Großbuchstaben: K.R.A.M.P.E.
Schon an den vielen vor dem Farbbetonbunker parkenden Militärfahrzeugen erkannte Gurth, dass alle Waffengattungen der NATO vertreten waren. Als er ausgestiegen und nach zweimaligem Vorzeigen seines speziellen Ausweises schließlich im Empfangsraum gelandet war, bemerkte Gurth in der Besucherschar eine ansehnliche Gruppe sehr wissenschaftlich aussehender Menschen, die zu der noch relativ neuen NATO-Einheit zur Raumverteidigung gehörte.
25. November 1983
Freitag, gegen 18 Uhr
Und tatsächlich, wenn man den gekonnten Ausführungen dieses souverän wirkenden P.R.-Mannes von K.R.A.M.P.E. im ersten Teil der Präsentation trauen durfte, stand der Krieg der Sterne keineswegs mehr in den Sternen. Denn die Forschungen im Zusammenhang des amerikanischen Raumverteidigungsprojektes S.D.I. (Strategic Defense Initiative, Strategische Verteidigungsinitiative) hatten die Entwicklung des Kampflasers enorm beschleunigt. Allerdings konnten die Raumkörper, die bei S.D.I. eine tragende Rolle spielten, die Schwerelosigkeit des Weltraums nutzen. Auf die riesigen Gewichte musste also nur beim Start von der Erde, nicht aber am Einsatzort wesentliche Rücksicht genommen werden. Ein ungeheurer Vorteil, wenn die verehrten Zuhörer bitte bedenken wollten, dass allein die Impulsgeber zu Beginn der Entwicklung des Kampflasers mehrere Tonnen wogen, von den Kältemaschinen für das flüssige Helium gar nicht zu reden.
Die ersten Kampflaser seien also im Weltraum getestet worden. Sie waren so groß und so schwer, dass sie für den Einsatz auf der Erde n ie und nimmer in Frage kamen. In der Schwerelosigkeit des Weltraumes spielte ihr Supergewicht keine große Rolle. Aber, so führte der P.R.-Mann bedeutungsvoll aus, auch hier habe sich der Mechanismus des Freien Marktes hervorragend bewährt. Noch während die Riesenmaschinen für den Weltraum gebaut wurden, arbeiteten schon Hunderte von Teams in aller Welt an der Frage, wie diese wundervolle, saubere Waffe für den Erdeinsatz nutzbar gemacht werden könnte. Auch die Veröffentlichung der Pentagonpapiere im Jahre 1980, in denen schon von entsprechenden Entwicklungen der Sowjets gemunkelt wurde, wirkte durchaus kreativitätsfördernd. Innerhalb der nächsten Jahre sei es dann auch zu bahnbrechenden Verbesserungen gekommen. Vor allem konnte Energieerstellung bebessert werden. Ein Laserstrahl braucht eben eine extrem hohe Startenergie. Die Kältetechnik wurde optimiert. Der Laser funktioniert nur bei einer Temperatur von flüssigem Helium, minus 268 Grad Celsius. Aber mit der neuen Kältetechnik konnte man den Laser nach und nach auf eine enorme Kampfstärke bringen. Die bis
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