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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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auf die Bäume legt.
    Eines Tages meinte Marius unvermittelt einen zweiten Menschen im Eiskristallpalast entdeckt zu haben. Marius bog gerade um die scharfe Ecke eines Eisganges, und da stand er. Marius winkte, sein Gegenüber auch. Marius ging auf ihn zu. Da hörte er plötzlich die hohe Stimme der Frau des Eises hinter sich. Er deutete auf seine Entdeckung, wollte sie ihr zeigen , aber da war kein Gegenüber mehr.
    "Da war ein anderer!" , sagte Marius und zeigte immer noch aufgeregt auf die leere Wand.
    " Das kann nicht sein", entgegnete die Frau des Eises. "Ausgeschlossen." Und sie sah ihn forschend an. "Schön siehst du aus", fuhr sie unvermittelt fort.
    Aber Marius hörte ihr nicht zu.
    Schon zwei Tage später hatte er ein ganz ähnliches Erlebnis. Intensiv hatt e er sich in einen der orangefarbenen Ideenkristalle vertieft und spürte den in der Kristallstruktur eingebetteten Gedankengängen nach. Da sah er nach oben und sah ihn. Ein Mann blickte ihn von oben, von der Decke herab an und beobachtete sein Treiben. Marius erkannte ein ausgemergeltes Gesicht mit ausgesprochen stechenden Augen. Es wäre unangenehm gewesen, ihn anzusehen, hätte da nicht um die Augen herum ein so verletzlicher Zug gelegen. Marius stand auf, versuchte dem Mann näher zu kommen und streckte die Hände aus. Aber kaum hatte er den ersten Schritt getan, da verschwand das Gesicht. Die Sache ließ Marius keine Ruhe. Da war ein Mensch in diesem gefährlichen Palast. Vielleicht brauchte er Hilfe. Marius durchstreifte ruhelos die Höhlen. Es war, als würde er durch diese Aufgabe zu seiner alten Kraft zurückfinden. Aber den Mann fand er nicht.
    Es geschah beim Essen. Ein Kelch aus hellem Silber stand vor Marius. Er enthielt einen sehr kalten Wein, der ihn allein durch seinen Alkoholgehalt zu wärmen versprach. Er setzte den Kelch an die Lippen, starrte einen Augenblick nachdenklich auf die Oberfläche des Weines und erstarrte.
    Da war er, der andere und sah ihn aus seinem Kelch heraus an. Kein anderer Mensch hatte sich im Labyrinth des Eises verborgen und war vor ihm geflohen. Marius selbst hatte sich in den Spiegelungen gesehen und sich nicht erkannt.
    Das!
    Das sollte er sein?
    Er konnte es nicht fassen.
    Dieses ausgemergelte Gesicht mit den unheimlichen stechenden Augen gehörte ihm. In diesem Moment wusste er, dass er den Kampf gegen die Kälte verlieren würde, und dass es höchste Zeit war, zu fliehen.Nichts Liebenswertes, nichts Weiches, nichts Lebendiges hatte die Kälte in seinem Gesicht mehr übrig gelassen. Und Marius wusste in diesem hellsichtigen Augenblick, dass das nur möglich war, weil sie auch in ihm Fuß zu fassen begann. Alles war zu einer undurchdringlichen Maske erstarrt, bis auf einen kleinen Hauch von Verletzlichkeit um die Augen herum.
    Fast so etwas wie Panik brach in ihm aus. Nie zuvor hatte er seinen Lebenswillen so stark verspürt, wie jetzt.
    Fort, nur fort, hämmerte es in ihm. Aber ihn quälte auch gleichzeitig der bohrende Zweifel, ob er es noch schaffen würde, nach draußen zu gelangen.
    Durchfrostet, kälteverzerrt schienen seine Gedanken unendlich lange zu brauchen, sich zu formen, sich in verständlichen Gebilden auszudrücken. Das Naheliegende, zuerst das Naheliegende tun. Mit schier übermenschlicher Anstrengung zwang er sich Bewegung auf und schleppte sich in den Wärmeraum zurück, wobei ihn seine verzweifelte Phantasie zu narren versuchte, indem sie ihm ein eisig marterndes Knirschen der Knochen in seinen Gelenken vortäuschte.
    Schweratmend fiel Marius mehr in den Wärmeraum, als dass er ihn betrat, schob mit letzter Kraft den dicken Türeisblock zu, der zwar zentnerschwer, jedoch so geschickt angebracht war, dass er fast schwerelos in seine Fassung glitt. Aber für ihn, in seinem ausgemergelten Zustand, wog er wirklich Zentner.
    Es war für Marius nichts anderes zu tun, als sich aufzuwärmen. Sein kältemüdes Gehirn sagte ihm das Richtige. Er ließ sich auf sein Ruhebett fallen und legte sich auf die Stelle, auf der der riesige Eiskristall in der Decke das Licht zu einem hellen Flecken bündelte. Der Wanderer stierte, als könnte er den Kristall, mit seinen Blicken schmelzen. Gab es sonst wirklich nichts, was er tun konnte? Sein Blick schweifte im Raum umher und fiel auf die Musikinstrumente, die die Frau des Eises zu seiner Zerstreuung bereit gestellt hatte. Musik sind Schwingungen, die vom Instrument auf die Luft übergreifen, von ihr getragen werden und alles, worauf sie treffen, ebenfalls in

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