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Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition)

Titel: Lacrima Nigra (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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ist gleichzeitig unheimlich von gestern und unheimlich von morgen."
    Er trank sein Glas aus, um dann unverzüglich der Quelle zuzustreben. Plötzlich sah sich Gurth mitten in diesem Gedränge vor der Bar mit Morian konfrontiert.
    "Sagen Sie, Professor! Eine etwas persönliche Frage", begann Gurth forsch, um sich seine Gehemmtheit nicht anmerken zu lassen.
    "Nur zu, junger Mann", sagte Morian aufgeräumt und schneidig. "Nur keine unnötige Höflichkeit."
    Gurth ließ sich nicht irritieren. "Wie alt sind Sie?", fragte er.
    Er versuchte bei dieser Frage Morian nicht aus den Augen zu lassen, um jede Regung in seinem Gesicht mitzubekommen. Morians Augen waren blassblau. In diesem Augenblick sah es aus, als würde ein dunkles Feuer hinter einer Gletscherwand pulsieren. Morian starrte Gurth durchbohrend an. Er setzte an: "Solange ich töte…" Dann brach er unvermittelt ab und antwortete kurz: "Zu alt!", drehte sich auf dem Absatz um und war in dem Gedränge verschwunden, bevor Gurth auch nur ein weiteres Wort hätte sagen können.
    In entspannter Stimmung kam Bernd zurück. Offenbar waren denen an der Bar die Whiskygläser ausgegangen. Jedenfalls trug Bernd fröhlich zwei Colagläser, wohlgefüllt mit dem rauchigen, alten, bernsteinfarbenen Gebräu herbei. Gurth trank zuviel und wusste am nächsten Morgen eigentlich nicht mehr so recht, wie er überhaupt ins Bett gekommen war. Nur dass er schlecht geträumt hatte, wusste er genau.
     
    26.November 1983
    Samstag 8.00
    Teil 3 der Tagung: Praktische Anwendung von BALLOKI.
    Gurth fühlte sich umfangen von Morgennebel, Morgentau, Morgenkälte und Morgenkater, als sie an diesem finsteren Morgen durch die bissige Heideluft stapften. Makabererweise ging Gurth gerade jetzt die Liedstrophe durch den Sinn, die angeblich Gefangene eines Konzentrationslagers gedichtet und gesungen hatten: "Wohin auch das Auge blicket, Moor und Heide nur ringsum. Vogelsang uns nicht erquicket, Eichen stehen kahl und stumm. Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit den Spaten durchs Moor."
    Tatsächlich lag dieser Truppenübungsplatz, den sie gerade mit stolpernden Schritten durchmaßen, keine zehn Kilometer vom ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen entfernt. Dieses Bewusstsein trug auch nicht gerade zur Verbesserung ihrer Stimmung bei.
    Man hatte sie vor etwa einer Stunde in die Handhabung des infanterietauglichen Kampflasers eingeführt. Sie sollten unter Kampfbedingungen einen T-72 Kampfpanzer, der dann natürlich ferngelenkt war, mit dem Laser erlegen. Und nun stolperten Gurth und Bernd mit dem Teufelsding auf dem Rücken durch die öde Heide und sollten im Planquadrat X3 übungsweise Feindberührung haben. Alles sollte möglichst echt wirken. Vor allem auch die Frage nach der Zielgenauigkeit, wenn der arme Infanterist bereits etliche Kilometer Fußmarsch hinter sich hatte.
    Viel Heide war nicht übriggeblieben. Die Übungspanzer hatten in den vergangenen Jahren eine Menge platt gemacht. Aber die Sanddünen waren noch da. Es wuchs nur nicht mehr sehr viel darauf.
    Und Schritt und Schritt. Abrutschen im Sand. Der Sand machte aus drei Kilometern leicht sechs. Gerade als sie im Zentrum einer Bodensenke angekommen waren, hörten sie Panzergeräusche, dieses misstönende Singen wie Chöre gefallener Engel. Die Geräusche schienen von allen Seiten zu kommen. Gurth sah Bernd fragend an.
    Diese Schreibtischstrategen würden doch wohl nicht etwa mehr als einen Panzer zum Abschuss freigegeben haben? Irgendwo links von ihnen schob sich eine dunkle Masse vor das schwache Morgenlicht, zerbrach krachend die Stümpfe der Kiefern, die dort wie die Beine kopfüber begrabener Krieger aus dem Boden ragten. Gurth und Bernd lagen nebeneinander in der Senke und fühlten sich schrecklich schutzlos. Bernd ließ den Impulsgeber von BALLOKI anlaufen. Der hohe pfeifende Ton, den der Akku entfaltete, müsste noch stärker gedämpft werden. Bei Panzern mochte es noch angehen. Aber feindliche Infanteristen würden ihn hören. Infanteristen haben gute Ohren, sonst sind sie nicht lange Infanteristen. Bernd vermerkte diesen Punkt auf seiner inneren Verbesserungsliste. Gurth hob wie tastend die Laserspitze. Aber der Bodennebel und das diffuse Licht des bedeckten Morgenhimmels machten eine genaue Zielerfassung mit bloßem Auge schwer.
    Das Pfeifen des Impulsgebers erreichte jetzt Höhen, die dem menschlichen Ohr unerreichbar sind. Bernd stieß Gurth in die Seite: Feuerbereit. Ganz sachte drückte Gurth die Laserspitze zwischen

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