Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
waren. Er wollte wissen, ob Zahira auch unter vier Augen ihren Mut behielt.
Sie setzte sich unbefangen, ohne dass er ihr einen Platz angeboten hätte. »Du wirst mich nicht töten.«
»Bist du dir da so sicher?« Doron zog es vor, stehen zu bleiben. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen lief er auf und ab. »Ich könnte denen da draußen sagen, dich habe der Schlag getroffen. Die lange Reise, die Aufregung, du verstehst?«
»Wie einfallslos. Sag doch die Wahrheit. Du wirst mich nicht töten, weil du mich liebst.«
Doron zuckte zusammen. Er wagte es nicht, sie anzuschauen. »Das war damals«, erwiderte er belegt.
»Jede Nacht hast du mir deine Liebe gestanden, jede Nacht. Und dann war sie fort, deine Nachtblume. Wie hast du dich da gefühlt? Ich hoffe erbärmlich.«
Doron schwieg lange. Dann sagte er: »Ja, das stimmt. Du warst meine hübsche und vor allen Dingen so sanfte Nachtblume. Du hast dich sehr verändert.«
Zahira zuckte die Achseln. »Das macht das Leben. Du hingegen hast dich kaum verändert, bis auf ein paar kleine Falten um Augen und Mundwinkel. Ja, wir werden alle älter.«
Doron hätte fast gelächelt. Er nahm sich einen gepolsterten Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. »Weshalb bist du geflohen? Weshalb?«
»Kannst du es dir nicht denken?«
Doron furchte die Stirn. »Ein anderer Mann?«
»Aber nein!« Zahira lachte hell auf. »Ich schlief doch mit dem König. Was sollte mir da ein anderer, ein geringerer Mann? Ich war schwanger von dir, und ich hatte wenig Lust darauf zu sterben.«
Dorons steinerne Miene schien augenblicklich zu Staub zu zerfallen. »Du?«, stieß er schwer atmend hervor. »Du hast ein Kind von mir erwartet?« Dann ergriff er ihre Hände, und in seine eisigen Augen trat ein leuchtender Schimmer. »Von dir, meine Nachtblume, von dir hatte ich mir so ein Kind gewünscht. Ich hatte gehofft … Zahira! Dich hätte ich niemals umbringen lassen.«
Zahira verblüffte Dorons Wandlung, aber sie blieb kühl. »Das konnte ich nicht wissen.«
»Stimmt«, gab Doron zu. »Aber jetzt – sag mir: Ist es ein Sohn?«
»Würdest du ein Mädchen denn verachten?«
»Aber nein. Es ist – es geht doch um die Thronfolge, verstehst du? Sag es mir! Ist es ein Sohn? Lebt er? Oh, ich sehe es deinen Augen an, er lebt. Und seinetwegen bist du hier, nicht wahr?«
»Die Thronfolge?«, wiederholte sie spröde. »Du hast bereits einen Sohn.«
Doron winkte ab. »Er bereitet mir Verdruss. Priester haben ihn beeinflusst, er versteht es nicht zu herrschen, er ist kein Mann, wie ich mir meinen Nachfolger wünsche.«
»Aber er ist dein Erstgeborener.«
»Das spielt keine Rolle. Er ist schwach, versteht nichts vom Waffenhandwerk. In dem Zweikampf wird er unterliegen.«
»In welchem Zweikampf?«, fragte sie scheinheilig.
Doron erklärte ihr mit wenigen Worten, was das Gesetz hier befahl.
Zahira ließ sich ihren Triumph nicht anmerken. »Und du meinst, mein Sohn entspricht deinen Wünschen besser?«
»Ich hoffe es. Ja, ich bin sogar sicher. Du wärst sonst nicht hier. Du musst ihn mir vorstellen! Ich möchte ihn kennenlernen.«
»Das könnte ich einrichten. Allerdings brauche ich deine schriftliche Zusicherung, dass ihm nichts geschieht.«
»Was sollte ihm denn geschehen?«
»Fragst du dich nicht, weshalb ich erst heute zu dir komme?«
»Sag du es mir.«
»Ich wollte meinen Sohn – unseren Sohn nicht den Intrigen im Palast aussetzen. Aber ich habe meine Meinung geändert. Ich bin der Meinung, ein Sonnenpriester sollte nicht in Jawendor herrschen.«
Doron nickte nachdenklich. Langsam verzog sich sein Mund zu einem zufriedenen Lächeln. »Kannst du überhaupt lesen?«
»Nicht nötig. Du lässt es aufsetzen, und ich lasse es von jemandem im Mondtempel beglaubigen. Eine Abschrift davon wird dort im Archiv verwahrt.«
»Du hast an alles gedacht, wie? Ja, du bekommst das Schriftstück.«
»Und ein Zweites, in dem du ihn als deinen Sohn anerkennst?«
»Gemach. Ich muss ihn mir erst einmal anschauen. Aber ich bin sicher, unser Sohn kann nur ein Prachtkerl sein.«
Zahira blinzelte misstrauisch. Doron war ihr allzu schnell bei der Hand. »Und wenn ich dich belüge? Wenn es gar nicht dein Sohn ist?«
»Dann ist es jedenfalls dein Sohn. Es genügt, wenn er mir gefällt, verstehst du?«
Zahira verstand nicht sofort, doch dann kam ihr die Erleuchtung. Doron würde ihren Sohn anerkennen, um seinen Erstgeborenen loszuwerden. Es war ihm gleichgültig, ob er von ihm war. Nun vielleicht nicht ganz,
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