Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
an den Einfassungen konnte nur aus einem Königshause stammen und die rassigen Pferde aus einem königlichen Gestüt. So dachten viele, die an den Straßenrändern standen und den Besuch bewunderten. In den Polstern der offenen Kutsche saß eine schöne, rassige Frau mit schwarzen Locken, die zur Hälfte von einer Kappe mit großem Federbusch verdeckt wurden. Das knöchellange Kleid aus rotem Samt war mit feinen Perlenstickereien besetzt. Leutselig lächelnd winkte die hohe Frau nach beiden Seiten und verteilte sogar Luftküsse, was den Marganern ganz besonders gut gefiel. Der Kutsche folgten vier Reiter auf schwarzen Pferden. Sie trugen weite weiße Umhänge, und ihre Hüte zierten ebenfalls mächtige Federbüschel.
Eine solche Abwechslung erlebte Margan selten, denn in den Nachbarländern erfreute sich Jawendor keiner großen Beliebtheit, demzufolge blieben ähnliche Empfänge auch eine Seltenheit. Borrak und seine Garde hatten alle Hände voll zu tun, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Niemand ahnte, dass die umjubelte Frau in der Kutsche ihren Lebensunterhalt gewöhnlich mit Raubüberfällen verdiente, und augenblicklich bettelarm war. Alles, was sie besaß, hatte sie in die Ausstattung gesteckt, und auch diese war nicht ihr Eigentum, sondern zu einem hohen Preis geliehen. Man wäre ebenfalls höchst befremdet gewesen, hätte man erfahren, dass ihr Gefolge Männer Lacunars waren, Schwarze Reiter, die ihre eigenen Pferde ritten.
Die Kutsche fuhr den gewundenen Weg zum Palasthügel hinauf. Auf dem säulenumstandenen Hof kam sie zum Stehen. Diener eilten herbei, um die Pferde abzuschirren, einer öffnete die Kutschentür, ein anderer breitete einen Teppich zu ihren Füßen aus. Das Gefolge saß ab und gesellte sich zu den abseitsstehenden Beamten und Würdenträgern. Auf der anderen Seite des Hofes erhob sich König Doron und ging der Schwester König Dunlaiths entgegen. Ringsherum wurde ein verwundertes Raunen laut, denn zu einer solchen Geste hatte sich Doron noch nie herabgelassen. Sie trafen sich in der Mitte.
Als Doron die Frau erkannte, schwankte er wie von einem Blitzschlag oder dem Hieb einer Kriegskeule getroffen. Er wurde totenblass, seine Augen rollten hilflos umher. »Du?«, hauchte er.
Bevor er sich besinnen konnte, zischelte sie ihm zu: »Tu so, als sei nichts passiert. Lass dir nichts anmerken, sonst verlierst du dein Gesicht.«
»Du wagst es …«
»Still, man schaut auf uns. Reden können wir später. Komm, geleite mich jetzt in deinen Palast, wie es der Schwester Königs Dunlaiths zukommt.«
Doron nahm ihren Arm. »Du hast Mut«, flüsterte er.
»Wieso?«, gab sie ebenso leise zurück, während sie ihn anstrahlte. »Ich bin sicher bei dir, schließlich hast du mich ganz offiziell empfangen.«
»Und die Männer? Wer sind diese Männer?«
»Oh, das willst du gar nicht wissen.« Die Würdenträger am Eingang zur Festhalle verneigten sich, und Zahira, die falsche Fürstin aus Samandrien, lächelte ihnen liebenswürdig zu. »Sieh nur, wie sie mir huldigen. Aber ich vermisse deinen Sohn. Ist er nicht gekommen, um mich zu begrüßen?« Zahira war neugierig auf den Mann, in den Rastafan sich verguckt hatte.
»Der Prinz ist unabkömmlich«, erwiderte er knapp. Hatte er sich zuvor noch über Jaryns Verhalten geärgert, kam es ihm jetzt nur recht.
Im Festsaal waren die Tische für ein Bankett geschmückt. »Oh, wir werden vorzüglich speisen«, schnatterte Zahira fröhlich. »Sehr erlesen, wie ich hoffe, und einem Ehrengast angemessen.«
Doron knirschte mit den Zähnen und schwieg. Er verfolgte das Essen mit steinerner Miene, doch niemand achtete sonderlich darauf, weil er bei so offiziellen Anlässen selten einen anderen Ausdruck zeigte. Zahira hingegen bezauberte ihre Umgebung nicht nur mit ihrer Schönheit und ihrem Lächeln, sondern auch mit Schlagfertigkeit und Mutterwitz. Eine Frau, die sich in Gegenwart des Königs so ausgelassen benahm, hatte hier noch niemand erlebt. Immer wieder brandete Gelächter auf, das Doron wie ein Verurteilter ertrug.
Es vergingen Stunden unerträglichen Frohsinns, bis Doron die Tafel endlich aufheben konnte. Nun durfte er sich mit seinem Gast zurückziehen. Es blieb den Vermutungen der anderen überlassen, was sich in den königlichen Gemächern abspielen mochte.
Bei allem Ärger war Doron doch gespannt, was seine ›Nachtblume‹ nach so langer Zeit zu ihm getrieben hatte. Für ihre Flucht hatte sie den Tod verdient, und das sagte er ihr auch, als sie allein
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