Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
Damals war er nackt über sie getrieben worden, heute riefen seine hallenden Schritte auf den Marmorplatten ihm ein Willkommen zu. Trunken von der Machtfülle, die ihn in Margan erwarten mochte, ließ er seine Blicke schweifen, konnte er sich nicht sattsehen an der prächtigen Stadt, über die er gebieten würde.
Gleich hinter dem Tor kam ein Trupp von sechs behelmten und bewaffneten Männern heranmarschiert, dem alle hastig Platz machten. Voran schritt ein breitschultriger Mann mit groben Zügen. Der Trupp marschierte zielbewusst auf die kleine Gruppe zu. Doch als sie sich bis auf Sichtweite genährt hatten, wurde der Mann an der Spitze kalkweiß und starrte Rastafan an wie ein gelähmtes Kaninchen die Schlange.
Rastafan erkannte ihn ebenfalls: Es war der Mann, der ihn damals festgenommen hatte und für seine Demütigung verantwortlich war. Er erinnerte sich auch noch an seinen Namen: Borrak! Mit mehreren Tagen am Pfahl hatte er ihn beglücken wollen.
Er ahnte, dass dieser Mann heute die Aufgabe hatte, ihn zu empfangen und zum Palast zu eskortieren. Rastafan grinste über das ganze Gesicht. »Was für ein Wiedersehen!«, höhnte er.
In Borraks Schädel flatterte es wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm. Der Mann, den er vom Tor abholen und unauffällig in den Palast bringen sollte, war kein anderer als jener Rastafan, der angeblich in den Kerkern des Sonnentempels verrottete. Er wusste schon lange, dass es sich dabei um eine Lüge handelte, aber nicht im Traum wäre er darauf gekommen, dass man den Gesetzlosen wie einen Ehrengast behandeln und zum König geleiten würde. Dieser Mann musste eine weitaus wichtigere Rolle spielen, als er je vermutet hatte. Was das für ihn selbst bedeuten könnte, verdrängte er für den Moment. Er riss sich, so gut er es eben vermochte, zusammen und stand stramm. »Ich erinnere mich an Euch.« Seine Stimme war heiser, als hätte er einen Stechapfel verschluckt. »Kein gutes Zusammentreffen damals – aber ich habe nur Befehle befolgt.«
»Ja, deine Eigenen«, erwiderte Rastafan finster.
»Ich habe den Befehl, Euch unauffällig in den Palast zu bringen«, krächzte Borrak, ohne auf Rastafans Bemerkung einzugehen.
»Unauffällig?«, höhnte dieser. »Mit einer ganzen Armee?«
Borraks Lider flatterten. »Auf Nebenstraßen – wenn Ihr mir bitte folgen wollt.« Er drehte sich abrupt um, damit er den schwarzen Augen dieses Kerls entkam, und bog in die nächste Seitenstraße ein. Rastafan und seiner Begleitung blieb nichts übrig, als sich anzuschließen.
23
Caelian hatte die kleine Auseinandersetzung genutzt und war unbemerkt verschwunden. Sein erster Weg führte ihn zum Mondtempel. Durch eine Nebentür gelangte er ungesehen in das Archiv und somit zu Auron. Suthranna wollte er nach seinem langen Ausbleiben noch nicht unter die Augen kommen. Er war jetzt nicht in der Verfassung, diesem Rede und Antwort zu stehen.
Der Anblick des chaotisch anmutenden Arbeitszimmers wirkte beruhigend auf Caelian. Hier ging alles seinen alten Gang, und es änderte sich nie etwas. Der alte Archivar freute sich, ihn zu sehen. Obwohl Caelian aussah wie ein Landstreicher, stellte er keine Fragen. Er war aus einem Winkel hervorgekommen, in den Armen einen Stapel voller Bücher. »Nimm mir das doch bitte mal ab, Caelian. Lege sie da auf den Tisch. Danke. Ich habe aus Drienmor einige interessante Werke eines verstorbenen Gelehrten bekommen und muss für sie ein Regal freimachen. Diese Bücher hier kommen ins Archiv.«
»Kann ich Euch dabei helfen?«
Auron schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich glaube, du hast jetzt andere Sorgen. Ach ja, schön, dass du wieder da bist. Ich habe dich vermisst. Andere auch. Aber bestimmt willst du dich jetzt erst einmal frisch machen und die Kleider wechseln.«
Caelian errötete. »Hm, ja. Hat Suthranna etwas gesagt?«
»Er ist ein bisschen verstimmt. Aber geh jetzt. Später, wenn du Lust hast, können wir uns unterhalten.«
»Es gibt viele Neuigkeiten.«
»Ich bin schon gespannt, bin eben ein alter neugieriger Mann. Aber nun lass mich meine Arbeit tun. Andere warten auf dich, die dich dringender brauchen.«
Caelian huschte hinaus auf den Korridor. Seine Küche und seine Kammer befanden sich eine halbe Treppe höher, aber nicht weit von Aurons Zimmer entfernt. Er wusste, es wäre seine Pflicht gewesen, zuerst mit Suthranna zu sprechen, aber vor allem musste er zu Jaryn. Kurze Zeit später hatte er sich wieder in einen ansehnlichen Burschen verwandelt und trug seinen
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